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Mord oder Tod durch verseuchtes Kotelette?

Von Mariel Kreis — Wolf­gang Amadeus Mozarts Wirken in den Freimau­r­er-Logen: «Gewiss, man hat mir Gift gegeben!», soll Wolf­gang kurz vor seinem Tod im Jahre 1791 gesagt haben. Nur wenige Wochen zuvor erlebte die Freimau­r­er Oper «Die Zauber­flöte» ihre Urauf­führung. Mozart kom­ponierte das Werk für das The­ater seines Logen­brud­ers Emanuel Schikaned­er. Fast 150 Jahre später behauptete Mathilde Luden­dorff in ihrem Werk «Der ungesüh­nte Frev­el an Luther, Less­ing, Mozart und Schiller», Amadé sei von seinen Freimauer­er Brüdern ermordet wor­den.

Doch warum die Freimau­r­er? Mozart gehörte doch zu ihnen! Eben, sagen die einen Ver­schwörungs­the­o­retik­er, er kan­nte die Rit­uale der Freimau­r­er und ver­ri­et sie in sein­er «Zauber­flöte» — das ver­langte nach einem Femem­o­rd. Nein, sein Wun­sch, eine Loge zu grün­den, die auch Frauen aufn­immt, sei ihm zum tödlichen Ver­häng­nis gewor­den, meinen andere. Bei­den Grup­pen erscheinen ihre The­o­rien so logisch, dass sie es nicht für notwendig eracht­en, sie aus­führlich mit Fak­ten zu unter­mauern. Ein Blick zurück in die Jahre der Blütezeit dieses Gehe­im­bunds und Mozarts Zuge­hörigkeit zu diesem umstrit­te­nen Kreis:

Werde­gang der Freimau­r­erei Die Freimau­r­erei schaut auf eine lange Tra­di­tion zurück. Die ersten Schriften, in denen von dem Gehe­im­bund die Rede ist, entstam­men dem Jahre 1376. Zu Mozarts Lebzeit­en gelangte die Freimau­r­erei zu ihrer Blüte. Doch immer wieder musste der Orden Ein­brüche in sein­er Entwick­lung markieren. Freimau­r­erlogen waren oft Träger aufk­lärerisch­er Ideen und der Ide­ale Frei­heit, Gle­ich­heit und Brüder­lichkeit; worin die Kirche «die Rein­heit der katholis­chen Reli­gion» in Gefahr sah. Durch einen vatikanis­chen Ban­n­fluch begann die Ver­fol­gung der Mau­r­er-Brüder. Kaiser Joseph II reor­gan­isierte das Freimau­r­ertum und ab 1786 gab es in Wien nur noch die bei­den Sam­mel­logen «Zur Wahrheit» und «Zur neugekrön­ten Hoff­nung», zu deren Mit­glied sich auch Wolf­gang Amadeus Mozart zählen durfte.

Mozart als Freimau­r­er Man weiss, dass Mozart schon vor sein­er Auf­nahme enge Beziehun­gen zum Freimau­r­ertum pflegte und ihre Ideen zu Kun­st und Gesellschaft teilte. So wurde er am 14. Dezem­ber 1784 selb­st nach ein­er Abstim­mung der Mit­glieder und dem strikt fest­gelegten Rit­u­al aufgenom­men, welch­es bis heute das best­ge­hütete Geheim­nis der Freimau­r­erei ist. Mozart hat seine Auf­nahme in die Gemein­schaft der Freimau­r­er sehr inten­siv erlebt, ihre Bedeu­tung schlug sich nicht nur in seinen eigentlichen mau­rerischen Kom­po­si­tio­nen nieder, son­dern in ein­er ganzen Rei­he von Werken. Zwei sein­er let­zten und bekan­ntesten wer­den häu­fig mit der Freimau­r­erei in Verbindung gebracht: Sein unvol­len­detes Requiem und «Die Zauber­flöte».

Die magis­che Drei Eine freimau­rerische Kom­po­si­tion enthält ver­schiedene typ­is­che Merk­male: In den Tem­peln gab es rit­uelle Klopfze­ichen der jew­eili­gen Grade. Heute ken­nt man deren Form und Sinn nicht mehr. Fest ste­ht nur, dass die Schläge auf der Zahl Drei beruhen. Der Anapestrhyth­mus (kurz-kurz-lang) oder der punk­tierte Rhyth­mus, weil die Dauer der punk­tierten Note den dreifachen Wert des Punk­tes hat, sind beson­ders beliebt. Auch Tri­olen wur­den häu­fig ver­wen­det. Gebun­dene Noten sind ein Sym­bol der Brüder­lichkeit, Fuge und Kon­tra­punkt stellen die Bauar­beit am Tem­pel dar. Und auch die Wahl der Tonart ist meist mit Bedacht gewählt. So verkör­pert Es-Dur, als die Mau­r­ertonart, erhabene Feier­lichkeit. Die drei b‑Vorzeichen sind so arrang­iert wie die sym­bol­is­chen Punk­te im Freimau­r­erdreieck. Merk­male, die alle in der Zauber­flöte zu find­en sind.

150 Todes­the­o­rien Die Freimau­r­erei hat die let­zten sieben Jahre von Mozart stark bee­in­flusst. «Die Zauber­flöte» ist dank mau­rerischen Sym­bol­en und Mythen aus der Musikgeschichte nicht mehr wegzu­denken und selb­st Laien bekan­nt. Lei­der gibt es kaum Schriften, in denen Mozart sich zur Freimau­r­erei beken­nt, fast alles wurde ver­nichtet. Man weiss, dass Mozart bis zu seinem Tod am Freimau­r­ertum fest­ge­hal­ten hat und auch während der grossen Krise und dem Nieder­gang des Gehe­im­bunds sehr engagiert war. Dafür ste­ht die «Zauber­flöte».

Über die Todesur­sache Mozarts wird seit jeher spekuliert; es gibt mehr als 150 Todes­the­o­rien. Die Behaup­tung Mathilde Luden­dorffs ist jeden­falls absurd, denn Mozart hätte diese Oper ohne die Zus­tim­mung sein­er Logen­brüder nie in der mau­rerischen Sym­bol­sprache kom­poniert. Ein amerikanis­ch­er Forsch­er glaubte im Jahr 2001 des Rät­sels Lösung gefun­den zu haben: «Tod durch verseucht­es Kotelette.» Nun, wed­er der Mord durch die Freimau­r­er noch das Kotelette haben den Tod Mozarts her­beige­führt. Mit Span­nung wird die näch­ste irrwitzige Diag­nose erwartet!

ensuite, Okto­ber 2009