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Musik für CHOO CHOO

Von Hannes Liechti — In der Serie «Musik für …» wird jew­eils eine Per­sön­lichkeit aus dem Bern­er Kul­turleben mit ein­er aus­gewählten Playlist kon­fron­tiert. Diesen Monat trifft es Lil­iane Barth und Daniel Jörg von der Bern­er Band CHOO CHOO.

CHOO CHOO, das Bern­er Dampf­tram ist zurück. Es will aber wed­er retro sein, noch in die Stilschublade des Garage-Rocks gewor­fen wer­den. Alles was es will, ist gute Pop­songs schreiben. Und es verkehrt inter­na­tion­al, und Spass am Inter­net hat es auch. Mit Bern Mobil hat das alles nichts zu tun. Die Rede ist von der Bern­er Indiepop-Band CHOO CHOO, welche dieser Tage ihr neues Album «Cannes» veröf­fentlicht. It’s a good thing.

Arc­tic Mon­keys
«Choo Choo» unveröf­fentlichter Demo-Track (ca. 2004)

Dan: Ein super Song! Arc­tic Mon­keys gefie­len mir damals sehr gut. Das war noch bevor sie über­haupt in einem Stu­dio waren; Sie ver­bre­it­eten ihre Demos vor allem über das Inter­net. Von der ersten Plat­te war ich dann aber fast ein wenig ent­täuscht.

Lil­ly: Dank diesem Song heis­sen wir ja «CHOO CHOO».

D: Ich war auf der Suche nach einem Namen mit zwei gle­ichen Wörtern, das hat mich schon immer fasziniert. Zur Auswahl stand noch «Mous­tache». Hier ging jedoch das Konzept des Dop­pel­na­mens nicht gut auf.

Arc­tic Mon­keys wird nachge­sagt, sie seien die erste Band, die auss­chliesslich übers Inter­net bekan­nt gewor­den ist. Dieses Medi­um scheint auch für euch wichtig zu sein: Face­book, Twit­ter & Co. sind in euren Webauftrit­ten omnipräsent.

D: Wir haben Spass, zu kom­mu­nizieren und das merkt man offen­bar auch. Wir nutzen die Plat­tfor­men aber vor­wiegend, um Kon­tak­te zu Fans und Inter­essierten aufzubauen und zu pfle­gen. Die Chance, dass wir übers Inter­net ent­deckt wer­den, ist ver­schwindend klein.
The White Stripes

«The Big Three Killed My Baby» ab dem Album «The White Stripes» (Sym­pa­thy for the Record Indus­try, 1999)

L: Das sind die White Stripes mit einem ihrer frühen Songs, welche sie mit Jim Dia­mond in Detroit aufgenom­men haben. Er hat ja auch unsere erste Plat­te pro­duziert.

D: Diese Musik löst bei mir ger­ade sehr schöne Erin­nerun­gen an die Zeit im Stu­dio bei Jim aus. Und sowieso, White Stripes habe ich geliebt: Die Energie, die Emo­tio­nen und die Rohheit der Auf­nah­men, Garage-Rock pur. Heute haben sich meine Hörge­wohn­heit­en allerd­ings etwas ver­schoben.

Wie seid ihr denn dazu gekom­men, mit Jim Dia­mond zu arbeit­en?

L: Dan hat damals Garage-Vinylplat­ten gesam­melt und fest­gestellt, dass ein Grossteil sein­er Lieblingsplat­ten von Jim pro­duziert wur­den. Wir haben ihn dann ein­fach per Mail ange­fragt und er hat sofort zuge­sagt. Er wäre dafür sog­ar in die Schweiz gekom­men. Das Ganze direkt in Detroit zu machen, kam für uns aber let­ztlich erhe­blich bil­liger.

The Strokes
«Heart in a Cage» ab dem Album «First Impres­sions of Earth» (RCA, 2006)

Die Strokes, wie übri­gens auch die White Stripes, schafften am «grössten Musik­fes­ti­val der Welt», dem South by South­west (SXSW) in Austin, Texas, ihren Durch­bruch. An der Aus­gabe 2009 war CHOO CHOO eine der vier Schweiz­er Vertre­tun­gen.

L: Das war für mich etwas vom Besten, was ich je gemacht habe. Ich glaube, wir spiel­ten inner­halb von zehn Tagen elf Konz­erte. In Plat­ten­lä­den, auf Park­plätzen, in Konzert­lokalen, in Pubs: Wir haben non­stop gespielt. Die Stadt war im Aus­nah­mezu­s­tand, an jed­er Ecke war eine Band zu sehen.

D: Die geil­ste Woche in meinem Leben! Wir besucht­en vor allem die Garage-Par­tys. So trafen wir viele unser­er Idole wie The Cyn­ics oder The Wog­gles. Rück­blick­end muss man aber auch sagen, dass sich daraus am Schluss fast ein biss­chen so etwas wie ein Garage-Overkill ergab. Da haben wir gemerkt, dass wir das nicht 20 Jahre lang machen wollen und uns unbe­d­ingt weit­er entwick­eln müssen.

Und wie habt ihr es geschafft, am SXSW dabei zu sein?

D: Wir haben uns angemeldet. Ich habe diese Geschichte schon länger mitver­fol­gt und immer gedacht, das wäre genial, dort spie­len zu kön­nen.

The Sound­track of Our Lives
«Big­time» ab dem Album «Ori­gin Vol. 1» (Telegram/Universal, 2004)

D: Super Band, grossar­tiger Song. Der Bassist von Sound­track of Our Lives, Kalle Gustafs­son, hat unser neues Album pro­duziert. Er führt in Göte­borg das Sven­s­ka Gram­mo­fon Stu­dion, welch­es er in ein­er ehe­ma­li­gen Fab­rikhalle mit viel Liebe zum Detail kom­plett selb­st aufge­baut hat. Das pure Gegen­teil zu Jim Dia­monds Stu­dio in Detroit, welch­es im Kühlraum ein­er alten Met­zgerei ein­gerichtet ist.

L: Kalle half uns enorm dabei, unseren Sound zu entwick­eln. Im Gegen­satz zum ersten Album haben wir dies­mal im Stu­dio eine Menge aus­pro­biert und auch Exper­i­mente gewagt. Nach zwei Wochen hat­ten wir erst drei Songs von zehn aufgenom­men.

D: Es ist inter­es­sant, dass du hier einen Rock­song aus­gewählt hast. Der Grund, wieso ich ihn ange­fragt habe, war u.a., dass er stilis­tisch enorm bre­it gefächert ist: von Jazz über Heavy Met­al und astreinen Pop bis zu all diesen Indie-Sachen. Dieser Abwech­slungsre­ich­tum gilt genau­so für The Sound­track of Our Lives.

The Foals
«This Ori­ent» ab dem Album «Total Life For­ev­er» (Trans­gres­sive, 2010)

Auch The Foals haben in den Sven­s­ka Gram­mo­fon Stu­dion aufgenom­men, was auf dem Cov­er von «Total Life For­ev­er» sog­ar expliz­it erwäh­nt wird. Weit­er sieht dieses Art­work wie eine erwach­sene Vari­ante von Nir­vanas «Nev­er­mind» aus. Ist das Cov­er von eurem neuen Album «Cannes» die Retro-Ver­sion davon?

L: Es ist lustig, wir beka­men jet­zt schon einige Reak­tio­nen, die das Cov­er von «Cannes» als retro befun­den haben, dabei war das von uns gar nicht so intendiert. Die Schwim­merin trägt ein nor­males Badek­leid, welch­es tat­säch­lich fast wie ein Mini­jupe aus den 60er-Jahren aussieht. Unser Ziel war es, ein Art­work zu haben, welch­es uns nicht gle­ich von Anfang an in eine Stilschublade wirft, so wie das vielle­icht bei unserem ersten Album der Fall war. Das Cov­er soll Assozi­a­tio­nen weck­en, vor allem auch im Zusam­men­hang mit dem Albumti­tel «Cannes»…

D: …und mit Nir­vana haben wir nicht viel am Hut. lacht

CHOO CHOO
«It’s a Good Thing» ab dem Album «Cannes» (Chop Records, 2011)

D: Wer ist das, die ken­nen wir nicht? (lacht)

Foto: zVg.
ensuite, Jan­u­ar 2011

Artikel online veröffentlicht: 22. Dezember 2018