Von Hannes Liechti — In der neuen Serie «Musik für …» wird jeden Monat eine andere Berner Persönlichkeit mit einer ausgewählten Playlist konfrontiert. Raphael Jakob, Sänger des Berner Soul-Duos 2forSoul gibt diesen Monat den Startschuss.
Reitschule, Tojo Theater: Plattentaufe von 2forSoul. Ausverkauft. Raphael Jakob, die eine Hälfte der Berner Soul-Combo, zeigt sich überrascht: Mit soviel Publikum habe er nicht gerechnet. 2forSoul veröffentlichte diesen Herbst mit «To the Bone» ihr zweites Album. Sie spielen Cover-Versionen von bekannten Soul‑, Funk‑, Folk- und Reggae-Songs in soulig-grooviger, intimer und puristischer Art.
Gil Scott-Heron
«The Revolution Will Not Be Televised» ab dem Album «Pieces of a Man» (Flying Dutchman/RCA, 1971)
Gil Scott-Heron, Poet, gesellschaftskritischer Songwriter und Visionär! Mit seinem Sprechgesang auch einer der Vorreiter des Hip-Hop, grossartig! Vor zehn Jahren habe ich ihn in der Reitschule live gesehen. Wir haben dann sogar ein Stück von ihm gecovert: «Winter in America».
Wie siehst du das politische Statement «The Revolution Will Not Be Televised» heute? Vielleicht ist die Revolution nicht über die staatlichen Fernsehsender zu sehen – über You-Tube aber alleweil (siehe Aufstände im Iran).
Ja, ich glaube, das hat sich tatsächlich geändert. Man kann heute vieles sehen. Heron spricht hier ja auch von Zensur. Das gibt es heute sicher noch, aber mit You-Tube wurde es einfacher, diese zu umgehen.
Aloe Blacc, der da anderer Meinung ist, zitiert Heron im nächsten Stück. In einem Interview mit dem Musikmagazin Spex überträgt er das Statement auf die Umweltproblematik: «Es ist naiv zu glauben, dass die kommende Revolution für Kameras sichtbar sein wird. Wir brauchen einen mentalen Umbruch, bevor sich Mutter Erde an ihren Kindern rächt.»
Aloe Blacc
«Politician» ab dem Album «Good Things» (Stones Throw Records, 2010)
Von Aloe Blacc kenne ich nur den Hit «I Need A Dollar». Ich traf ihn kürzlich in Zürich. Wir waren Support Act seines Konzertes im Stall 6. Nach dem Auftritt war er in einer Bar als Alleinunterhalter gebucht, was dann allerdings zu einer komischen Nummer ausartete: Er sang zum bestehenden Gesang von alten Soul-Hits. Ich glaube, er ist ein sehr guter Musiker, das war aber eher peinlich.
Soul war ja immer auch politisch. Die neue Platte von John Legend & The Roots beispielsweise orientiert sich direkt am politischen Soul. (Siehe auch Artikel «Der Soul ist zurück»). Wie steht 2forSoul dazu?
Wir machen Musik und nicht Politik. Unser grosses Thema ist die Liebe. «Winter in America» von Gil-Scott-Heron war eine Ausnahme und nicht ganz unproblematisch. Aus der Sicht von uns hier in der Schweiz ist vieles, was so eng mit der Black-History verknüpft ist, einfach nicht singbar. Ausserdem handelt wahrscheinlich 99% der Soulmusik sowieso von Liebe.
Plan B
«She Said» ab dem Album «The Defamation of Strickland Banks» (679/Atlantic, 2010)
Die kenne ich nicht. Aber ich glaube, den Song schon einmal gehört zu haben.
Der Londoner Plan B – übrigens ein Mann – gehört wie Aloe Blacc einer neuen Welle von Soulsängern an, die auch hierzulande die Charts erreichen. Beide kommen ursprünglich aus dem Hip-Hop. DIE ZEIT schrieb: «Hip-Hop ist tot. Der alte Soul ist der neue Rap.» Kannst du dem beipflichten?
Ich glaube, Hip-Hop, R’n’B und Soul, das geht alles zusammen. Wichtig ist, dass dieser ganze übergeordnete Stil präsent ist. Dass all diese Soul-Musiker aus dem Hip-Hop kommen, zeigt auch, wie eng diese Stile verknüpft sind. Aber es ist toll, dass wieder vermehrt auf den alten Soul der sechziger und siebziger Jahre zurückgegriffen wird. Angefangen hat das ja mit Amy Winehouse und Co. Ich glaube die Stimmung ist gut, was den Soul anbelangt.
The Beatles
«Something» ab dem Album «Abbey Road» (Apple Records/EMI, 1969)
Beatles! George Harrison! »Abbey Road« übt bis heute einen enormen Einfluss auf mich aus. Am Schluss von «Something» höre ich immer gleich das nächste Stück der Platte im Kopf: «Maxwell’s Silver Hammer».
«Something» ist neben «Yesterday» der meist-gecoverte Song der Fab-Four.
Dann haben wir schon beide Verbrechen begangen! (lacht). Ich muss hier vielleicht sagen: wenn wir einen Song covern, dann schauen wir nicht, wer ihn auch schon gemacht hat. Wir schauen nicht, ob es besonders originell ist, gerade dieses Stück zu covern. Ich gehe immer von der Musik aus: «Something» hat einfach eine phänomenale Melodie. Zusätzlich gefällt mir an diesem Stück, dass hier der «Underdog» Harrison gegen Lennon/McCartney zu einem Erfolg kam.
Bill Withers
«Ain’t No Sunshine» ab dem Album «Just as I Am» (Sussex, 1971)
Das ist Bill Withers, unverkennbar. Live spielen wir viele Bill-Withers-Nummern. Auf unserem neusten Album haben wir gleich zwei von ihm mit drauf. Vielleicht sollten wir einmal aufhören damit. (lacht).
Seine Songs bieten sich zur Interpretation aber auch an. Er war nicht unbedingt der gros-se Soulsänger, er hat die Stücke immer unspektakulär gespielt und mit einer sehr weichen Stimme gesungen. Das bietet Raum für eigene Ideen. Bill Withers wurde vielleicht auch gerade deswegen wahnsinnig oft gecovert. «Ain’t No Sunshine» ist mittlerweile ja zu Tode gespielt.
Seven
«Synthetic Soul» ab dem Album «Sevensoul» (Nation Music, 2004)
Mein Arbeitgeber! Ich spiele bei Seven Gitarre und singe Backing Vocals. Er ist der erfolgreichste Soulkünstler der Schweiz. Super Soulsänger, Musiker und Workaholic. Er ist auch sehr talentiert, den Volksgeschmack zu treffen. Sein Soul geht allerdings mehr Richtung Pop. Es ist aufgeräumte und geputzte Musik. Die Klangästhetik von 2forSoul dagegen ist viel handgemachter, «gerümplig», reduziert und auch nicht immer «schön».
Wie habt ihr eigentlich den Soul entdeckt?
Über die Red Hot Chili Peppers kam ich zum Funk, und von dort wiederum über George Clinton und Funkadelic zum Soul. Schlussendlich bin ich bei D’Angelo gelandet, meinem absoluten Soul-Gott.
«To the Bone» von 2forSoul ist im Handel erhältlich.
Foto: zVg.
ensuite, November 2010