Von Barbara Roelli — Zum Apéro gibts Blätterteiggebäck. Leicht gummiges, ist etwas zu lange an der Luft gestanden, nachdem es aus dem Ofen genommen wurde. Und der Sekt perlt kaum noch. Da hat jemand die bereits offene Flasche leeren wollen, statt eine neue zu offerieren. Ein weiteres Mal sitze ich in meiner imaginären Gastro-Jury. Prüfe die Personen um mich herum auf ihre «kulinarischen Fähigkeiten». Dieses Kalbskotelett war zu lange auf dem Grill, Fisch serviert man auf heissen, nicht auf kalten Tellern, die Bratensauce schmeckt zu salzig, der Cake ist furztrocken. So tönt die Stimme in meinem Kopf.
Es ist Samstagabend – ein zartes Stück Schwein gart im Ofen, und dazu mache ich zum ersten Mal selber: Sauce Béarnaise. «Eine der klassischen französischen Saucen, gehört zur Grammatik wie zur Poetik der guten Küche», schreibt Cédric Dumont im «Kulinarischen Lexikon» — quasi die Bibel in meiner gastronomischen Bibliothek. Seit meiner Konfirmation hege ich den Plan, diese Sauce selber zuzubereiten. Am Konfirmationsessen im «Vogelsang» gab es nämlich zartes Roastbeef mit einer derart buttrigen Béarnaise, mit dem typischen Schuss Essig und frisch gehacktem Estragon… Es regnete heftig an jenem Frühlingssonntag – doch für mich schien die Sonne dort oberhalb des Sempachersees. Noch heute bereue ich es, keine zweite Portion Roastbeef an Béarnaise-Sauce genossen zu haben.
Darum will ich den unverwechselbaren Geschmack dieser Sauce nun zurück haben; in mein jetziges Leben, auf meine Zunge. Vor mir liegt das Rezept. Ich koche Essig zusammen mit Pfeffer, einem Zweig Estragon und reduziere das Ganze. Dann siebe ich die Essigreduktion ab und rühre sie unter drei Eigelb in einer Chromstahlschüssel. Jetzt kommt der heikle Punkt des Rezeptes: Das Eigelb mit der Essigreduktion soll über einem heissen Wasserbad mit dem Schwingbesen aufgeschlagen werden. Heikel darum, weil Eigelb stockt, wenn es zu heiss wird. Deshalb stetig weiter schlagen. Das Ei wechselt langsam seine Farbe; von tiefgelb zu pastellgelb. Nun portionenweise Butter darunterschlagen. Jeder Butterberg verschmilzt mit dem Ei, bis 150 Gramm Butter verschwunden sind in meiner selbst gemachten Béarnaise, die wunderbar bindet, genau nach Rezept. Als die Sauce sämig ist, rühre ich den gehackten frischen Estragon unter und nehme die Chromstahlschüssel vom Wasserbad. Die Vorfreude steigt. Nun komme ich zum letzten Schritt der Zubereitung: würzen. «Mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft abschmecken», steht da im Rezept. Danach probiere ich die Sauce zum ersten Mal. Noch zwei, drei Tropfen Zitronensaft, dann ist sie perfekt. Doch – mir bleibt die Luft weg, dann der Schock. Vor mir schwimmen Eigelbfetzchen in der flüssigen Butter, umgeben von gehacktem, mattem Estragon. Eigentlich weiss ich, dass diese Sauce Bérnaise nicht mehr zu retten ist, die Chemie hat ihre Gesetze. Gleichwohl setze ich sie nochmals übers heisse Wasserbad, rühre wie wild. Ich möchte nichts unversucht lassen, meine Bérnaise wiederzubeleben. Ich versuche sie mit einem weiteren Eigelb zu retten – Ei bindet ja, so mein Gedanke. Doch die Chromstahlschüssel ist zu heiss und das Eigelb stockt. Eine letzte Chance ist der elektrische Schwingbesen. Dieser gibt der Sauce eine griessartige Struktur. Ich resigniere.
Auf unseren Tellern liegt das zarte Stück Schwein mit dem, was eine Sauce Bérnaise hätte werden sollen. Auf der Zunge erinnert sie mich trotzdem an meine Konfirmation. Und was das Aussehen betrifft – da soll meine imaginäre Gastro-Jury ein Urteil abgeben. Ich selber bin nicht mehr dabei. Als Jurymitglied muss man eine perfekte Sauce Bérnaise zubereiten können.
Foto: zVg.
ensuite, Oktober 2013