Isabelle Haklar — Ich bade täglich. Ja, Sie haben richtig gelesen, ich bade jeden Tag. Jeden Tag die Woche inklusive Wochenende, 365 Tage im Jahr, Winter wie Sommer.
Nichts hasse ich nämlich mehr als einen feuchten Duschvorhang, der mir am Rücken klebt oder das Stehen, nachdem ich bereits den ganzen Tag stehend bestanden habe. Auch die Gefahr des Ausrutschens ist mir ein wahrer Greuel. Ausrutschen und mit dem Kopf hart am Wannenrand aufschlagen, davor habe ich Angst, grosse Angst. Obwohl ich niemanden kenne, der je mit dem Kopf gegen den Rand geknallt ist, bin ich sicher, dass dies gerade mir passieren könnte. Denn mir passiert, was sonst einem Normalsterblichen eher nicht geschieht. Ich würde es fertig bringen, nach einer ausgiebigen, warmen Dusche beim Aus-der-Wanne-Steigen auszurutschen und einen bleibenden Schaden davonzutragen. Absurd, ich weiss.
Aus diesen Gründen ziehe ich ein Bad der Dusche vor, und dies eben tagtäglich.
Und alle, die bereits laut aufgeschrieen oder das Gefühl haben, dass ich über kein gesundes Umweltbewusstsein verfüge, sei zu meiner Verteidigung gesagt, dass ich die Wanne nie bis zum Rand fülle, sondern stets nur bis kurz vor die Hälfte. Zudem vertrete ich hartnäckig die Meinung, dass jeder Zwanzig-Minuten-Warmduscher, würde er zum Test den Wannenstöpsel am Grund verankern, danach dieselbe, wenn nicht gar grössere, Menge an Wasser in der Wanne hätte wie ich, die sich im Liegen Reinigende. Bis anhin war leider nur noch keine Person je bereit, sich auf dieses Vergleichsexperiment einzulassen. Alle, denen ich diesen Test vorschlug, verweigerten sich konsequent; was mich in meiner Meinung natürlich bekräftigt und mich weiterhin mit gutem Gewissen Tag für Tag in die Wanne gleiten lässt.
Ein Problem, das meine Badeorgien jedoch mit sich bringen, ist das, dass ich einen unglaublichen Bademittelverschleiss an den Tag lege. Doch ich nehme an, dass sich in Zeiten der Wirtschaftskrise niemand darüber beklagt, ich auf diese Weise sogar meinen Teil zum Wirtschaftsaufschwung beitrage – wenn auch nur zu einem winzigen.
Eigentlich sollte ich bei meinen Käufen allmählich Rabatt kriegen. Mir wäre gedient, wenn es, wie für Take-away Kaffees in grossen Berner Bäckereien, auch einen Zehner-Pass für Bademittelflaschen geben würde. So kriegte ich dann im Schnitt alle zwei Monate die elfte Flasche umsonst. Doch leider ist dies nicht der Fall. Zu meinem Glück gibt es Feste wie Weihnachten oder das des Älterwerdens, sprich Geburtstag. Feste, an denen mich liebe Leute mit Fläschchen und «Gütterlis» aller Art eindecken, um nicht zu sagen überhäufen. Und sollten sich dennoch alle Flaschen auf einmal leeren, dann suhle ich mich eben im Shampoo. Denn ob Bademittel oder Shampoo, reinigen tun sie beide und meine Macke lässt sich auch wunderbar im Haarwaschmittel ausleben. Ach, was wäre ein Leben ohne Macken.
ensuite, Juni/Juli 2009