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Neue schöne Arbeitswelt: Apple

Von Dr. Reg­u­la StaempfliFür Daniela Kickl ging ein Traum in Erfül­lung: Sie durfte in Hol­ly­hill, Cork, das sie sehr schnell «Holy Hell» zu nen­nen begann, bei der unfass­bar coolen, schick­en Sil­i­con-Val­ley-Fir­ma Apple anheuern. Sie schleppte Kinder und Kegel nach Wien, richtete sich in Irland, dem dun­klen Herz des Katholizis­mus («Angela’s Ash­es», Mag­dale­nen­heime etc.) ein und freute sich unfass­bar auf ihre neue Auf­gabe. Die Mitar­bei­t­en­den bei Apple liessen durch­blick­en, dass Apple dur­chaus Auf­stiegschan­cen offerieren würde: Doch die Real­ität war völ­lige Fehlanzeige. Kickl und andere gut aus­ge­bildete Pro­gram­mierende wur­den zwar Teil der Apple-Fam­i­ly, allerd­ings im dun­klen Untergeschoss des Call­cen­ters. Grässlich. Schreck­lich. Furcht­bar. Kickl betra­chtete auch den Monatscheck von 1800 Euro (!) für einen Vol­lzeit-Job als Ein­stiegssalär, nur um nach drei Jahren zu real­isieren, dass selb­st bei zunehmend wichtigeren Auf­gaben wie Team­lead­ing und Man­age­ment das Geld nur unwesentlich und unter extrem bürokratis­chen Bedin­gun­gen jemals mehr wer­den würde.

Kickls Trig­ger ist grossar­tig: Der Ein­stieg von Steve Jobs und dessen Rede 2005 für eine Stan­ford-Abschlussklasse rührt selb­st auf Druck­pa­pi­er zu Trä­nen. Ganz, ganz gross­es Feel­ing ver­mit­telt Steve Jobs – seine Rede ist qua­si das «I Have a Dream» für das Sil­i­con Val­ley. «Stay hun­gry, stay fool­ish.» – Bleiben Sie hun­grig, bleiben Sie töricht. Töricht – da ist schon der erste Holper­er im Buch. Daniela Kickl über­set­zt das «fool­ish» mit «ver­rückt». Sie schreibt in einem ähn­lich hol­pri­gen Deutsch wie ich hier – (Men­schen sind soziale Wesen, ich bin sehr anfäl­lig für aller­lei Stile, bei Goethe werde ich wahlver­wandtschaftlich poet­isch) – sehr amerikanisch geprägt, was ihrem Arbeits­bericht über­haupt nicht gut­tut.

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Meine pedan­tis­che Bemerkung zur Sprache erk­lärt u.a., weshalb Kickls Buch kein Jahrhun­dertknüller – wie beispiel­sweise «1984» – ist. Obwohl die Erzäh­lung alle Ingre­dien­zien der real existieren­den Tech­nokratur bein­hal­tet. Wed­er ist das Buch ein richtiges Sach­buch, noch ist es ein Roman: Den­noch ver­brachte ich dank Kickl drei unglaublich span­nende Stun­den im Zug. Kickls Inhalte sind erschüt­ternd. Sie beschreiben exakt die Zukun­ft unser­er Kinder (wenn Sie über 40 sind) oder unser­er jün­geren Fre­undin­nen und Fre­unde in den 20ern und 30ern. Wussten die Man­ches­ter-Sklaven des Frühkap­i­tal­is­mus noch, wer die Her­ren und wer die Sklaven waren, haben die Apple-Mitar­beit­er ihren Devo­tismus, die Selb­staus­beu­tung bis hin zur Selb­stver­nich­tung inter­nal­isiert. Kickl redet von gut aus­ge­bilde­ten Men­schen, die mehrere Fremd­sprachen beherrschen – was man von Pro­gram­mier­ern oft nicht behaupten kann –, die sich für die läp­pis­chen Euros auf acht Minuten Toi­let­ten­zeit pro Tag reduzieren lassen.

«Wenn ich von unerträglichen, men­schen­ver­ach­t­en­den Zustän­den bei asi­atis­chen Fir­men lese, nehme ich das mit ein­er gewis­sen Betrof­fen­heit zur Ken­nt­nis, die aber nicht lange währt.» (S. 21)

Der Wirtschaft­sredak­teur vom «Stern», Daniel Bakir, wirft der Autorin Daniela Kickl vor, über Apple eine eigentliche «Abrech­nung mit dem Ex» ver­fasst zu haben. Er find­et nichts Schlimmes an exakt vorgegebe­nen Arbeitsabläufen, Pausen­zeit­en, numerischen Leis­tungskon­trollen, Demü­ti­gun­gen nach «busi­ness needs», unabge­sproch­enen Arbeits- und Ein­satz­plä­nen, kurzfristi­gen Arbeit­splatzver­schiebun­gen. «Typ­is­che Prob­leme eines Call­cen­ters», meint Bakir.

Nein. Typ­isch für die schöne neue Arbeitswelt unter den Bedin­gun­gen pro­gram­ma­tis­ch­er Tech­nokratur. Das Buch von Daniela Kickl ist wie ein Thriller ver­fasst, und wer etwas von dig­i­taler Rev­o­lu­tion und Arbeitsver­hält­nis­sen erzählen will, ist gut berat­en, Kickl einzu­laden. Der «Tages-Anzeiger» brachte am 20.3.2017 ein span­nen­des Inter­view mit Daniela Kickl unter dem Titel: «Wir lebten bei Apple wie in ein­er Leg­e­bat­terie.»

 

PS: Eine bösar­tige Nebenbe­merkung dazu, dass soziale und wirtschaftliche The­men das Netz nicht genug erre­gen, um damit auch die dreck­i­gen Umstände für die Men­schen zu verän­dern, kann ich mir nicht verkneifen: «Wäre Kickl ein …»

Nein. Ich verkneife mir die Bemerkung.

 

Buchtipp: Apple intern. Drei Jahre in der Europa-Zen­trale des Tech­nolo­gie-Mul­tis, edi­tion a, Wien 2017 (in Deutsch­land liegt das Buch nicht auf – was wohl einiges über die Rezen­sio­nen inklu­sive Kom­plizen­schaft der Wirtschaft­sredak­tio­nen des Lan­des mit Apple, Google et al. aus­drückt.)

Artikel online veröffentlicht: 25. April 2017