- ensuite - Zeitschrift zu Kultur & Kunst - https://www.ensuite.ch -

Nur so zum Spass

Von Lukas Vogel­sang - «Black’n’Blond» wird nun doch endlich von unseren geliebten TV-Bild­schir­men ver­schwinden und wir sind die pein­lich­ste Eigen­pro­duk­tion von SF DRS (immer­hin diesen Pokal haben sie ver­di­ent) los. Doch schon jam­mert SF DRS und erzählt uns die schöne Mär: SF war sich damals bewusst, wie schwierig es ist, ein solch­es For­mat zu pro­duzieren. «Eine Late-Night ist eines der schwierig­sten For­mate und immer ein Exper­i­ment. Es war uns von Anfang an klar, dass Black’n’Blond Kon­tro­ver­sen aus­lösen wird», so Gabriela Amgarten, Abteilungslei­t­erin Unter­hal­tung. «Wir woll­ten der Sendung die nötige Zeit geben, sich zu entwick­eln und ihr Pub­likum zu find­en.» So ein Blödsinn. Man sollte vielle­icht nur nicht die grössten Schweiz­er Show­busi­ness-Dep­pen für so was verpflicht­en und ein anständi­ges Konzept erar­beit­en, welch­es nicht nur nach Spass-Pub­lic­i­ty-Wahnsinn schre­it. Inhalt, meine Damen und Her­ren, ist hier entschei­dend. Aber das ist jet­zt nur so zum Spass gesagt.

Der näch­ste Ham­mer fol­gte sofort: SF pro­duziert die näch­ste Eigen­pro­duk­tions-Schlappe mit der neuen Sam­stagabend­show «Hap­py Day». Schon beim Titel über­lege ich mir, ob sich in Zukun­ft eine Blu­men­vase anstelle des Fernse­hgerätes bess­er machen würde. Wieder ver­sucht SF DRS mit «Gefüh­le», «Freude», «Rührung», «Spass» eine Show für die «Erfül­lung der Träume von Men­schen» zu pro­duzieren. Röbi Koller soll das nach vier Jahren Bild­schirmab­sti­nenz mod­erieren. Der einzige Trost: Die Show wird pro Jahr nur vier Mal zuviel gezeigt. Aber das habe ich ja jet­zt auch nur so zum Spass gesagt.

Alles ist lustig, alles muss Spass machen, alles muss lächeln und Händ­chen hal­ten, die Welt ist so bunt und lustig und so lustig, dass ich vor lauter lustig schon fast nicht mehr lustig sein kann. Mir schmerzen die Bauch­muskeln vor lauter lustig. Der Spass nimmt kein Ende, wir lachen uns zu Tode. Und weil alles schon schmerzt, müssen wir nach­helfen mit ein­er Par­ty, auf der wir mit Alko­hol wieder lustig wer­den, damit wir lächeln und uns alle für lustig hal­ten. So lustig, so lustig, so…

«Man zwingt mich als Medi­enkon­sumenten rund um die Uhr, Teil ein­er Spass­ge­sellschaft zu sein, der ich gar nicht ange­hören möchte. Nicht, weil ich keinen Spass ver­ste­he. Aber weil mich der Pudel eines Tagess­chaus­prech­ers oder die Gal­len­steine eines Jet­set­ters oder die neue Fre­undin irgen­deines Cerve­lat­promi­nen­ten schlicht nicht betr­e­f­fen.» Dieses gewaltig schöne State­ment kommt von Bun­desrat Samuel Schmid an ein­er Ver­legerkon­ferenz und es ist wohl das einzige Mal, wo ich mit ihm mehr als einig bin. Und das habe ich jet­zt nicht zum Spass gesagt. Die halbe Medi­en­welt ist ein spas­siger Haufen. Sobald mal ein­er ein paar recher­chierte Wahrheit­en veröf­fentlicht, wird er als bös­er Pes­simist dargestellt, ein Spielverder­ber oder eben ein Spassverder­ber. Was soll nur aus uns wer­den? Wenn es so weit­erge­ht — und die Entwick­lung ist in dieser Rich­tung ver­dammt schnell — dann prosit.

60 Sekun­den für Nachricht­en! Das muss reichen, damit die «Jun­gen» nicht abschal­ten. Das neue 3+ TV hat ein altes Konzept wieder her­vorge­holt. Doch in diesen 60 Sekun­den wer­den die effek­tiv­en Nachricht­en noch zusät­zlich mit News aus der Spass­ge­sellschaft aufge­lock­ert. Meine Güte! Ver­suchen Sie nie, eine Schweigeminute für irgendwelche Katas­tro­phenopfer durchzuführen. Wenn nicht irgend­wo ein Handy klin­gelt oder ein Ham­burg­er zwis­chen Zäh­nen zer­malmt wird, so müssen Sie min­destens nach 22,8 Sekun­den einen Witz erzählen. Man kön­nte Sie son­st falsch ver­ste­hen und meinen, Sie seien ern­sthaft.

Aus der Serie Von Men­schen und Medi­en
Car­toon: www.fauser.ch
ensuite, Okto­ber 2006