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Orwell und feministische Ewigschleifen

Von Dr. Reg­u­la Stämpfli - Stellen wir uns vor, es gäbe seit 1905 alle 20 Jahre die „neuen Rel­a­tivis­ten“ oder gar die „jun­gen Rel­a­tivis­ten“. Man spräche von den „Rel­a­tivis­ten der drit­ten oder vierten Welle“, junge, d.h. „Unter-Vierzigjährige“ wür­den durch Talk­shows tin­geln und „ihre“ Ver­sion der Rel­a­tiv­ität­s­the­o­rie verkün­den. Sie gäl­ten als Pro­voka­tion für die alten „Ein­stein­jan­er“, die neben der Rel­a­tiv­ität­s­the­o­rie auch die Kor­puskelthe­o­rie des Licht­es und die The­o­rie der Pho­to­nen entwick­elt haben. Die Medi­en wür­den diese Exper­tin­nen als „alte weisse Par­tikel“ beschimpfen, da die „neuen Rel­a­tivis­ten“ alten Wein in Pornoschläuchen medi­engeil vertick­en. Die Folge dieser Wellen­poli­tiken wäre: Tech­nis­ch­er, the­o­retis­ch­er und prak­tis­ch­er Fortschritt fände nie statt, im Gegen­teil. Denn mit den „neuen Rel­a­tivis­ten“ kämen auch deren Geg­n­er, die behaupten, Zeit und Raum wür­den sich nie rel­a­tiv zueinan­der bewe­gen. Die Kol­lat­er­alschä­den der „neuen Rel­a­tivis­ten“ sind diesen indessen egal, ja sog­ar der Rück­fall in dun­kle Zeit­en der Geschichte wer­den zwecks Aufmerk­samkeit in Kauf genom­men.

Nie­mand würde merken, dass als Kopernikus die Welt als Scheibe ent­thronte und einen neuen Mit­telpunkt set­zte, Ein­stein hier nur anset­zen musste, um auf Immanuel Kants Schul­tern zu Zeit und Raum, bei­des spren­gen zu kön­nen. Doch all diese Vorgänge und Vorgänger, ja selb­st der Erfind­er Ein­stein sel­ber wäre der medi­alen Rezep­tion der immer wiederkehren­den „neuen Rel­a­tivis­ten“ völ­lig egal.

Diese „Oben­rum Ewigschleife“ ober­fläch­lich­er fem­i­nis­tis­ch­er Mach­t­analy­sen feiert Höch­st­stand. Seit Olympe de Gouges (1748–1793) gibt es Hun­derte, ja Tausende span­nen­der The­o­rien, his­torisch­er und empirisch über­prüf­bar­er Wirk­lichkeit­en sowie grif­fige Demokrati­ethe­o­rien zu „Frauen und Macht“, darunter einige sog­ar von Män­nern. Doch seit dem Auftreten von Judith But­ler als EGO-Shooterin mit gutem SEO-Google-Rat­ing benehmen sich einige Hash­tagerin­nen und Medi­en­selfies mit oder ohne Men­stru­a­tion­sh­in­ter­grund so als wären sie die Ersten auf dem Ter­rain von „Gen­der Trou­ble.“ Wir sind Zeug­in­nen dieser But­ler-Kolonisierung. Mit klas­sis­chen Head­ings wie „neu“, „fortschrit­tlich“, „unsere Gen­er­a­tion“ wird die Aus­löschung der fem­i­nis­tis­chen Indi­ge­nen ethisch ver­w­er­flich vor­angetrieben. Das Mot­to ist: Die fem­i­nis­tis­chen Indi­ge­nen sollen sich zum „richti­gen“ Glauben bekehren oder sie wer­den via Dif­famierung ver­nichtet.

Willkom­men in der neuen, butler´schen postkolo­nialen Welt, die „same as it ever was“ prak­tiziert. Rev­o­lu­tio­nen ver­fol­gen seit der rus­sis­chen, nicht die Frei­heit, son­dern die Eli­m­inierung inner­halb der eige­nen Rei­hen. Das bit­tere Ende ist abse­hbar: Während Medi­en und Hash­tag­gerin­nen einan­der hochschaukeln, in eige­nen Rei­hen Säu­berun­gen ver­anstal­ten, sich erbit­tert­ste Kämpfe liefern, äuf­nen die fem­i­nis­tis­chen Gegner*innen ihr enormes Waf­fe­narse­nal. In diesem echt­en Krieg ster­ben dann alle Schwest­ern. Egal ob alt, neu, jung, far­big, trans.

Wer darüber etwas mehr erfahren möchte, ist bei George Orwell: Look­ing Back On The Span­ish War gut bedi­ent.

https://www.orwellfoundation.com/the-orwell-foundation/orwell/essays-and-other-works/looking-back-on-the-spanish-war/

Artikel online veröffentlicht: 2. Oktober 2019 – aktualisiert am 25. Februar 2020