Von Martin Sigrist — Der sphärische Elektropop der kanadischen Band Austra lebt von der Stimme Katie Austra Stelmanis. Die Band aus Toronto um die ausgebildete Opernsängerin veröffentlichte im Juni ihr zweites Album «Olympia». Ensuite traf Katie in Zürich anlässlich ihrer aktuellen Tour.
Katie, um die ewige Frage gleich am Anfang zu stellen: Du bist ausgebildete Opernsängern, machst jetzt aber Popmusik. Warum dieser Wechsel der Welten?
Ich habe mit Oper aufgehört, weil es mir zu verpflichtend war. Die Stimme ist das Instrument und erfordert viel Pflege. Und es ist eine Welt der Diven. Damals war ich knapp 20 und wollte das alles nicht machen, Partys waren mir wichtiger.
Vermisst Du die Oper?
Früher sehr, aber nach einigen Jahren ging das vorbei. Ich war sehr jung und hatte gerade die inspirierende Musikszene Torontos kennen gelernt. Das war einfach besser als Oper, denn es fühlte sich kreativer an. Davon wollte ich ein Teil sein. So habe ich mich dafür entschieden, eigene Musik zu machen.
Du erwähntest Diven. Für Konzerte brezelst aber auch Du Dich auf.
Aber ohne eine Diva zu sein. Ich kümmere mich auch nie um meine Stimme, wärme sie nicht mal auf. Ich schlafe auch wenig auf Tour. Und verkleiden tue ich mich gerne.
Hast Du keine Angst, Deine Stimme zu ruinieren, in die Du so viel investiert hast?
Ich dachte lange, meine Stimme sei unzerstörbar. Jetzt bin ich etwas älter und merke, dass dem nicht so ist. Ich habe am meisten Angst davor, auf Tour krank zu werden, dann könnte ich nicht gut singen.
Ihr veröffentlicht diesen Sommer Euer zweites Album. Wo lagen die Schwierigkeiten nach dem Erfolg mit dem ersten?
Bei uns war es nicht schwieriger. Beim ersten haben wir gelernt, wie man ein Album macht. Beim zweiten wussten wir viel mehr darüber und auch, was wir anders machen wollten. Was wir damals nicht konnten, konnten wir jetzt. In diesem Sinne ist es das Ehrlichste, Wahrste, was wir machen wollten und konnten. Wir müssen also nicht dem ersten Album entsprechen, denn erst das zweite klingt jetzt wirklich, wie das erste eigentlich hätte klingen sollen.
Die Leute kennen jetzt Deine Stimme und den eigenen Klang der Musik. Hast Du keine Angst, als besonders aufregend zu gelten?
Nein, ich mag das zweite Album besser als das erste. Wenn das andere Leute nicht so sehen, ist das deren Problem.
Macht Ihr Musik fürs Studio oder für die Bühne?
Für beides! Wir haben Sounds speziell für die Bühne gemacht, die live gut klingen. Aber wir wollten diese Energie auch aufs Album bekommen. Diese beiden Seiten haben sich sehr beeinflusst. Der Unterschied vom ersten zum zweiten Album liegt auch darin, dass das erste sehr dunkel war, die Konzerte aber, sehr fröhlich, wurden zu feierlichen Tanzpartys. Diese Stimmung wollten wir auch auf dem Album haben, damit ist das zweite Album viel spassiger und erhebender geworden.
Du hast mal vor ein paar Jahren in einem Interview gesagt, Du möchtest einzig eine «Gay Band» sein. Was ist das denn?
Ich habe das als Witz zu einer befreundeten Journalistin gesagt. Ich war einfach verwirrt, weil wir nicht als solche erkannt wurden, denn alle in meiner Band sind doch gay. Darum meinte sie dann, sie mache uns dazu, hat mich das gefragt und seit dem werde ich sehr oft darauf angesprochen. Sie hat es also geschafft.
Das klingt nicht wie ein Kompliment.
Es ist aber keine Beleidigung, es ist einfach was es ist. Es gibt viele tolle Gay Bands. Es ist aber nur ein Attribut, denn keine Band ist nur eine Gay Band, Grizzly Bear oder Hercules and Love Affair. Wir sind auch eine Elektro- oder Tanzband. Es gibt einfach viele, die als das eine oder andere nicht erkannt werden.
Aber nicht nur gay Leute hören Euch, andere Bands haben da ein sehr viel kleineres Publikum.
Ja, bei The Gossip war das mal so, aber jetzt spielen sie für ganz Europa.
Gossip sind in den USA viel weniger erfolgreich als hier. Ihr habt wohl auch in Europa mehr Erfolg als daheim.
In Kanada läuft es gut, weil wir von da sind und Kanadier ihre eigenen Bands lieben. Aber es läuft in Europa definitiv besser als in Amerika.
Dafür verstehen in Europa viele Leute Eure Texte nicht.
Ja, darum hatten wir in Europa wohl mehr Erfolg, während die Amerikaner sich gefragt haben, worüber ich da singe (lacht).
Aber die Texte sind immer noch ziemlich dunkel. Wie wichtig ist das bei den Konzerten?
Früher habe ich mich nicht darum gekümmert. Ich habe es sehr geschätzt, Lieder zu covern, wenn die Texte so schöne Geschichten sind. Ich liebte das, habe aber selber nie solche Songs geschrieben. Dann habe ich gelernt, dass Texte mit Inhalt die Konzerte viel erfüllender machen, und dafür wollte ich persönlichere Texte schreiben.
Findest Du das nicht traurig?
Das ist schon etwas traurig. Die Leute müssen aber die Texte nicht verstehen, um die Musik zu verstehen. Das kommt wohl von der Oper her, da verstehen die Leute die Texte oftmals nicht, trotzdem sind das die kommunizierendsten Lieder überhaupt.
Foto: zVg.
ensuite, September 2013