Von Stanislav Kutac — Anmerkungen zum 3D Film «Pina» von Wim Wenders: Auch wenn manche behaupten werden, dass es nicht schwierig sei auf einen fahrenden Zug aufzuspringen, kommen nicht wenige dabei unter die Räder. Der Film PINA ist ein Muss für jeden, der noch etwas fühlt, ohne Wim und Wenders. Wer Wim Wenders Filme kennt, wird erstaunt sein, wie wenig Wenders der Film Pina transportiert, trotz oder 3D sei Dank (wegen seiner enthusiastischen Beschäftigung/Ablenkung mit Technischem). Pina Bausch ist tot. Gestorben 2009 wenige Tage vor Drehbeginn. Uns ihren geliebten, fragenden Raum hinterlassend. Einen Raum, der auf nichts Vorgekautes zurückgreift: Bewegungen der Anziehung, des Glücks, der Trauer, der Einsamkeit. Offen fragend: Wonach sehnst du dich? Oder: Mond? Oder: Warum hast du Angst vor mir?
Meistens aber sagte sie nichts: schaute. Ihre Fragen aber blieben uns verinnerlicht: Bin ich auf der richtigen Spur? Woher weiss ich das? Bin ich sicher? Ist es wirklich wahr? Was wäre wenn… ? Verunsicherung, Ringen, Disziplin, Mut, Vertrauen, das Gefühl gesehen, geliebt zu werden, heimgesucht zu werden, in der Nacht, im Traum, auf die Bühne gespuckt zu werden. Wie könnte man angesichts dieser zärtlich kraftvollen Führung anders als sich raushalten. Hut ab vor Wim Wenders, dem es dieses Mal vergönnt war zu dienen: dem Archaischen, dem Unpersönlichen. Tanzt, tanzt sonst sind wir verloren. Tanz nicht des Tanzes wegen, nicht der physischen Virtuosität wegen. Tanz als unmisserverständliche Sprache, als nie enden wollende Balz der Geschlechter, als Ausdruck lebendiger Dualität, überwindbar erscheinender Widersprüchlichkeit. Nur noch ein Schritt, eine Geste, einen Wimpernschlag von der Erfüllung entfernt: Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter, immer wieder, immer wieder, immer wieder von Neuem. Stopp!
Anders ausgedrückt von der japanischen Musikerin Jun Miyake im Stück: The Here and After vom Album Stolen from Strangers. 14 Monate Postproduktion zeugen vom immensen Aufwand, den die erste Begegnung Wenders mit 3D mit sich brachte, wie auch von seinem Respekt Pina Bauschs Schaffen gegenüber. Dennoch überzeugt mich die 2D Fassung mehr als die effekthascherische 3D Darstellung, in der die Wuppertaler Schwebebahn mehr Eindruck hinterlässt als der Mensch, sein innerer Abgrund.
Den meisten Zuschauern wird der 3D Effekt, wie auch das grandios inszenierte Finale, wohl aber mehr imponieren als der vom persönlichen Verlust geprägte Anfang des Films, mit seiner Schwere, seinem gefühlten Schmerz. Sei es drum. Wenders hat hier eine wunderbare Hommage an eine wunderbare Frau und ihr fragiles Werk vorgelegt. Wie schon gesagt: ein Muss für jeden der noch etwas fühlt – von der Sehnsucht.
Foto: zVg.
ensuite, Mai 2011