Von Barbara Roelli — An Ostern kann der Apéro auch mal zum Brunch werden. Protokoll eines mehrstündigen Mahls:
12.14 Uhr: Den Mauler brut entkorken. Erstes Glas füllen. Die Bläschen des Vin mousseux perlen nach oben. Schäumig prickelnd im Mund. Erfrischend im Abgang. Kitzelt leicht den Gaumen. Im Hintergrund beschwingte Musik von Bach. Konzert in C‑Moll für Violine und Oboe.
12.25 Uhr: Erstes hartes Ei zum Tütschen. Spitz an Spitz. Mein Gegenüber schlägt zu – ich gewinne, mein Ei bleibt hart. Dann schlage ich mit der anderen Seite meines Eis nochmals auf das Ei meines Gegenübers. Und wieder: Mein Ei bleibt standhaft.
Ein weiteres Tütschduell endet mit einer Niederlage für mich – endlich komme auch ich zum Eiergenuss. Ich pelle die himbeerrot eingefärbte Eierschale vom Ei, bis unschuldiges Weiss zum Vorschein kommt. Ich gebe einen kleinen Löffel Colman’s Mustard auf das Ei und beisse ab. Der scharfe Senf sticht angenehm in die Nase, treibt mir die Tränen in die Augen. Aus Freude. Dazwischen ein Schluck Mauler. Dann streue ich Aromat aufs Ei – bin zurückversetzt in meine Kindheit, wo ich jeweils zu Ostern bis zu 10 Eier verdrückt habe. Vielleicht waren es doch nur sechs. Ich öffne die Tube Mayonnaise. Drücke eine üppige Rosette auf das Ei. Eigentlich überflüssig, auf das Ei noch Mayonnaise zu fügen – etwa ähnlich, wie wenn man ein Poulet mit Pouletbrust füllen würde. Oder, wie man umgangssprachlich sagen würde: Sand in die Wüste zu tragen.
12.40 Uhr: Ein Stück Modelbrot mit Kürbis- und Sonnenblumenkernen. Nennt sich Fitnessbrot. Kombiniert mit den Zutaten des Osterbrunches tritt die Fitness etwas in den Hintergrund. Mein Gegennüber und ich bestreichen das Brot dick mit selbst gemachtem Räucherfelchenmousse. Das Grün des kleingeschnittenen Schnittlauchs auf dem Mousse entzückt mich – im Hintergrund Bachs Konzert für zwei Violinen in D‑moll. Ich werde langsam mollig. Lege ein Stück Tessiner Pancetta auf das Brot und beisse zu. Die Speckschwarte schmiegt sich sanft an meine Zunge. Ein Schluck Mauler bringt das Geschmackorchester spielend zum letzten Satz.
13.13 Uhr: Mein Gegenüber und ich lauschen dem Konzert in G‑moll für Flöte, Streicher und Continuo. Unsere Bewegungen verlangsamen sich genüsslich. Wie in einer Zeremonie schneiden wir mundgerechte (leicht überdimensionierte) Stücke vom Käse ab: Asiago, Appenzeller, Toggenburger, Pecorino.
13.20 Uhr. Vivaldi ertönt. Wir tütschen das zweite Ei. Während die Geiger im Hintergrund spielen, mische ich Mayonnaise und Senf zu Pastellgelb und streiche es aufs Ei. Die Oboe bläst klagend eine Melodie über den Klangteppich der Streicher, als ich mich ans Auspacken eines Schokoladen-Eis mache. Und der Senf mischt sich in meinem Mund überraschend gut mit der herben Süsse der Schokolade. Wenn man sich der Völlerei hingibt, dann verschwimmen die Grenzen zwischen süss und salzig – zwischen Sättigungsgefühl und purer Lust. Ich bestreiche eine Schnitte mit Butter und Mirabellenkonfitüre. Kaue langsam.
13.38 Uhr: Noch einmal stossen wir an. Auf das Leben.
14.12 Uhr: Die Flasche Mauler ist leer. Wie heisst es so schön: Nach dem Essen sollst Du ruhn oder tausend Schritte tun. Wir entscheiden uns fürs Ruhen.
Foto: zVg.
ensuite, Mai 2014