Von Guy Huracek - Filme mit dem Fokus auf homo- und bisexuelle Themen bietet das Filmfestival Queersicht vom 12. bis 18. November in Bern. Ein breites Spektrum, von Spielfilmen über Dokumentationen bis hin zu Kurzfilmen, sorgt für ein abwechslungsreiches Programm. Wer sich nach langem Filmeschauen bewegen will, kann dies am Samstag Abend zu Electro-Sound an der Queersicht-Party in der Turnhalle im PROGR tun, ruhiger geht es in der Queersicht-Lounge zu. Glamurös wird es am Sonntag Abend bei der Verleihung des Kurzfilmpreises «Rosa Brille».
Homosexualität und Heterosexualität sind zwei Welten. Doch in vielen Bereichen sind sich diese sehr ähnlich. Grenzen sind oft nicht mehr als ein künstliches Gebilde. Ein Film, der dies zum Thema macht, ist «City of Borders». In Jerusalem, der Stadt der Grenzen, klettert der schwule Palästinenser Boody über die Mauer nach Israel. Der Dokumentarfilm zeigt die Spannungen zwischen zwei Staaten, den Protagonisten und ihren Eltern und zwischen der israelischen Gesellschaft und der Homosexualität. Die einfühlsame Dokumentation zeigt unbekannte Einblicke in Regionen, die sonst fast ausschliesslich wegen Kriegshandlungen in den Medien sind. Am 13. November um 23:00 Uhr und am 15. November um 13:00 Uhr im Kino in der Reitschule.
Das schwule Ehepaar Göran und Sven ist überglücklich, denn die Behörden haben dem Adoptionsantrag zugestimmt und somit hätte das 1,5‑jährige Waisenkind Patrik eine neue Familie gefunden. Doch ein Kommafehler trübt die erhoffte Familienidylle. Keine Baby-Schreie sägen an den Nerven des Ehepaars, sondern ein 15-jähriger, schwer erziehbarer Schwulenhasser mit krimineller Vergangenheit. Diese bittersüsse Komödie aus Schweden ist einer von vielen Spielfilmen des lebisch-schwulen Filmfestivals Queersicht. Die Vorführungen finden am 14., 15. und 16. November jeweils um 20:30 Uhr in der Cinématte statt.
Vor 20 Jahren wäre ein derartiger Film undenkbar gewesen. Die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Was früher als abartig und krank galt und teilweise sogar verboten war, ist heute normal, alltäglich und setzt sogar Trends. Homosexuelle können heute in der Schweiz die meisten Freiheiten der Hetero-Paare geniessen. Ist die politische Lobbyarbeit heute überhaupt noch nötig? Oder ist die sogenannte Szene ein Auslaufmodell? Diese Frage ist nicht nur das Thema der diesjährigen Podiumsdiskussion: «Mosca muerta — die Szene ist tot!», am Samstag, 14. November, um 15:00 Uhr in der kleinen Bühne im PROGR. Es ist auch eine Frage von mir. Ich stellte sie einem Teil der Programmationsgruppe des Queersicht-Festivals: Thomas Künzi, Beat Scheidegger und René Kunz.
ensuite — kulturmagazin: Braucht es ein lesbisch-schwules Filmfestival heute noch?
Queersicht: Ja. Wir sind der Meinung, dass viele der Themen, die die Filme aufgreifen, wichtig sind. Beispielsweise das Comingout. Solche Filme können einen inspirieren oder sogar den Weg weisen. Queersicht ist ein Filmfestival, das lesbische und schwule Filme zeigt: Das Thema allein reicht uns aber nicht, die Filme sollen auch gut und interessant sein.
Wollt ihr mit dem Festival politisieren?
Nein. Uns geht es hauptsächlich darum, Filme zu zeigen. Viele der Themen sollen zum Nachdenken anregen und Horizonte erweitern. Natürlich haben viele der Filme ein politisches Thema, die Unterhaltung und das Zusammensein stehen jedoch im Vordergrund.
Beim Kurzfilmfestival shnit im vergangenen Oktober war auffallend, dass sehr viel Jugendgewalt porträtiert wurde. Gibt es bei Queersicht auch einen solchen Trend?
Dieses Jahr haben wir ein sehr vielfältiges Programm. Einige aktuelle Themen sind uns schon aufgefallen. Zum Beispiel ein grosses Tabuthema: Homosexualität im Fussball. Hier setzen wir auch einen Schwerpunkt am Freitag Abend um 18:00 Uhr im Kino in der Reitschule, wo wir zu den Dokfilmen Gäste eingeladen haben. Auch das Thema Adoption liegt im Trend und das Zusammenleben zwischen Religionen und Kulturen beschäftigt viele Filmemacher.
Queersicht ist ein lebendiges und abwechslungsreiches Filmfestival. Während den Vorbereitungen gab es keine diskriminierenden Äusserungen. Ein Zeichen, das für Toleranz und Integration spricht. Dennoch ist meiner Meinung nach ein derartiges Festival immer noch nötig. In einigen Bereichen werden Homosexuelle immer noch diskriminiert. Die filmische Unterhaltung ist eine gute Methode, um der Homophobie entgegen zu wirken.
Info: www.queersicht.ch
Bild: von links nach rechts: Thomas Künzi, Beat Scheidegger, René Kunz / Foto: Guy H
ensuite, November 2009