Von Sarah Stähli - Ein Gespräch mit Matto Kämpf eine Woche vor Probenbeginn
Gerber: Guete Abe. Wär Ohre het söu lose, wär Ouge het söu luege. Wär Wind säit, wird Sturm ärnte. (geht zu Billi, packt ihn am Schlawittchen) Da bisch du Cheibli. Bisch mer ab, he? Du Sougoof. Itz wärsch fasch drahcho. Kennsch mi no?
Billi: (nickt) Dr Pfarrer Gärber.
Gerber: Wie mänge hesch töt?
Billi: Nün
Gerber: (ohrfeigt ihn) Sougoof. Schäm di. Was si mer, Billi? Was si mer?
Billi: Mir si Wiedertäufer.
Gerber: Tüä mr angeri Lüt töde?
Billi: Nei, frömmer aus Gott säuber.
Gerber: Äbe. Itz isch fertig. Itz chunnsch zue mer. U losisch mer zue u tuesch fouge. Chumm Billi, stah uf, lue, s’het Zwieback zum Ässe u Mieuch zum Trinke. Tue chnöilä. I muess di toufä Billi, im Name vom Vatter im Himmu. Tue mer nache rede: Nie meh wott i d Pistole bruche/ u miner Finde gärn ha/ we mi eine chläpft darf er grad no mau/ u we eine z Hemli wott cha ner d Hose o no grad ha. Versprichsch mer das? (Billi nickt) Lut.
Ein Outlaw, ein junger Wilder, einer, der sich durch seinen Revolver ausdrückt. Sam Peckinpah verewigte ihn im Film, Bob Dylan schrieb den Abgesang «Knocking on Heavens Door» für ihn, der Mythos besagt, er habe in seinem kurzen Leben 22 Menschen umgebracht. Die Rede ist von der Westernlegende Billy the Kid. Der Schriftsteller Michael Ondaatje sah in ihm gar einen unentdeckten Poète maudit und schrieb «The Collected Works of Billy the Kid». Billy als Rimbaud des Wilden Westens, «einer, der rechts schiesst und links schreibt».
Nun soll dieser Billy also auch auf der Bühne seinen Auftritt bekommen. Die Berner Autoren Matto Kämpf («Safari», «Posse Royal») und Raphael Urweider («Das Gegenteil von Fleisch») haben zusammen mit Andreas Debatin («Wildnis») das Stück «Billi dr Bueb» geschrieben. Am Anfang stand Debatins Idee, einen Western zu machen, einen Theaterwestern. Bühnendeutsche Dialoge im Saloon? Das schien dann doch zu gekünstelt. Matto Kämpf suchte nach einem Schweiz-Bezug und stiess auf die Wiedertäufer, eine strenge Religionsgemeinschaft aus dem Emmental, deren Anhänger grösstenteils in die USA ausgewandert sind. Die in den USA immer noch weit verbreitete Gemeinschaft der Amischen, eine noch radikalere Abspaltung der Wiedertäufer, wurde vom Täuferprediger Jakob Ammann aus dem Niedersimmental gegründet. Ammanns Motto «Die mit Haken und Ösen wird der Herr erlösen/ Die mit Knöpfen und Taschen wird der Teufel erhaschen», das Billi im Stück einmal zitiert, gilt bei den Amischen noch immer, sie lehnen die mit der französischen Mode aufgekommenen Knöpfe ab und halten ihre Kleider ausschliesslich mit Haken zusammen. «Völlig absurd» meint Kämpf, «witzig wird das Ganze erst aus der historischen Distanz». Während der Recherche, die ihm sichtlich Spass gemacht hat, stiess er auf zahlreiche solcher skurriler Geschichten. In Bern, Indiana einer von Täufern gegründeten Siedlung, wurde zeitweilig Öl,.… In dieser Siedlung könnte auch das Stück «Billi dr Bueb» spielen. Die Figuren sind jedoch nur in ungefähr an die Legenden angelehnt. Aus «the Kid» wird ganz einfach «dr Bueb» und aus Billis Gegenspieler Pat Garrett der Wiedertäuferprediger Pädu Gerber. Spannend am Mythos Wilder Westen findet Kämpf auch das Völkergemisch, das sich in dem grossen Siedlergebiet ergab: Russen, Holländer und eben auch Schweizer. Die meisten Siedler besassen nach dem Bürgerkrieg Waffen, automatisch entstand ein Freiraum, in dem einzig die Sprache des Gewehres gesprochen wurde. Der Wilde Westen als «Märchenland und Abenteuerspielplatz mit Cowboys und Indianern, Saloons und rollenden Büschen». Ein Ort, wo das Gesetz des Stärkeren herrscht und gerechte Rache ausgeübt wird, wo «Gut und Böse» nicht einfach nur leere Worte sind.
«Billi dr Bueb» ist ein Geflecht aus verschiedenen Stilen, «es beinhaltet sogar zwei unterschiedliche Versionen von Berndeutsch!» Matto Kämpf schrieb die Dialoge, Andreas Debatin die Lieder und Raphael Urweider die lyrischen Teile, Billis und Gerbers Monologe. Diese Vermischung macht das Stück lebendig und trotz der unterschiedlichen Ausdrucksweise, wird es zu einem einleuchtenden Ganzen.
Für einen kurzen Cameo-Auftritt als «trurige Mexikaner» kommt ein weiterer Berner Autor dazu: Pedro Lenz. Auch er wird noch einen Text beisteuern. «Billi dr Bueb» wird also auch zu einer Art Showdown der lokalen Sprachcowboys.
«Die Zorros» eine Formation, bestehend aus Olifr Maurmann, Patrick Abt und Frank Heierli, wird als akustisches Country Combo samt «Stündeler-Sektenorgel» auftreten und es sich im Saloon gemütlich machen. Die Inszenierung kommt bis jetzt noch ohne Johnny Cash aus «ein Western-Projekt ohne Johnny Cash, das ist schon fast wieder eine Leistung!» — dafür mit einer «züridütschen» Version von Leonard Cohens «I’m Your Man».
Das Bühnenbild wird wohl ganz schlicht sein: «So mit aus Karton ausgeschnittenen Kakteen». «Billi dr Bueb», eine Mischung aus historischen Fakten, Western-Klischees und Revue. «Obwohl auch Klamauk geplant ist, ist das Projekt keinesfalls als eine das Genre verballhornende Westernklamotte gedacht. Es wird die Geschichte einer Freundschaft erzählt, welche zerbricht und schliesslich zum unabwendbaren Duell führt.» Im Spielplan des Schlachthaus Theaters wird das Stück folgendermassen angepriesen: «Mit «Billi dr Bueb» wird einmal mehr die Frühreife gewisser Emmentaler und der zivilisatorische Einfluss der Religion bewiesen. Ein Meisterwerk des Erziehungstheaters!»
Bilder: zVg.
ensuite, Mai 2005