Der Corona-Krise zum Trotz: ensuite – Zeitschrift zu Kultur & Kunst, nach 18 Jahren die grösste Kulturzeitschrift der Schweiz mit internationalem Vertrieb, hat sein Layout neu definiert, das Konzept angepasst und erscheint ab August 2020 in neuer Strahlkraft.
Die Beweggründe: «Kultur kommt vor Politik» dieses Motto hat sich der Verlag als Ziel gesetzt. Es geht darum verständlich zu machen, dass jede politische Entscheidung aufgrund einer kulturellen Prägung, einer Betrachtungsweise gefällt wird. Die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt: «La Suisse n’existe pas» (Ben Vautier, 1992). Es sind vielmehr ganz viele Schweizen. Und obschon wir im mitten im Kommunikationszeitalter stecken, scheint das Thema der «Diskussion» an sich überhaupt nicht zu greifen. Und das ist ein allgemeines verstärktes Problem: Viele Könige verderben den Brei – statt einer vernunftorientierten Dialogkultur wird mit dem Megafon «DIE» Meinung durchgegeben. Gerade die Politik will punkten, gewinnen – und selbst wenn wir das Weltgeschehen betrachten, so politisieren Menschen wegen Wahlen und den daraus folgenden Geld- und Machtansprüchen, nicht aber, für Menschen. Es beginnt aber bei jedem Einzelnen.
Das, was Menschen verbindet, ist nicht Macht und Geld, sondern die Menschlichkeit. Und diese Formt sich in Gesellschaften durch kulturelle Gewohnheiten und Ansichten. Es ist nicht die Kunst, welche die Kultur beeinflusst – die Kunst zeigt sich eher als Abbild und Reflexion – als Denkanstoss für den Dialog. So ist die Kunst, ein «Unterbereich» des Begriffs «Kultur», ist also nicht Politik oder als politisches Instrument zu verstehen. Und das ist ebenso gut so: Wir reden von Kultur und meinen eigentlich Kunst – ein klassisches Missverständnis.
Als weiterer Denkanstoss für die Neuausrichtung vom «ensuite – Zeitschrift zu Kultur & Kunst» ist die Tatsache, dass Kultur und Kunst journalistisch eigentlich weltweit kaum überwacht wird. Unsere «Freunde & Verbündete» sind eigentlich die Finanzaufsichtskommissionen – und natürlich die LeserInnen, die unsere Arbeit entsprechend bezahlen. In vielen Redaktionen ist das «Kulturkonzept» kein Gegenstand der Kulturredaktion, sondern wird dem städtepolitischen Ressort zugeordnet. So kommt es, dass der Publizist Wolfgang Böhler Sätze wie «Kultur darf nur Finanzpolitik sein» rausposaunt. Wenn die Begründung «Kultur ist wichtig» lautet, dann wurde nicht verstanden, worum es geht. Mit 4.5 Milliarden CHF fördert die Schweiz mit öffentlichen und privaten (Stiftungen) Gelder die Kulturszene Schweiz – und es wird immer mehr verlangt. Zum Beispiel verteilt das BAK (Bundesamt für Kultur) kaschiert in einem Budgetposten des Sprachengesetzes unter dem Begriff «Verständigungsmassnahmen» 7.7 Millionen CHF pro Jahr. Dieser Budgetposten wächst jedes Jahr an – doch lässt sich alles unter dieser Kategorie verstecken: viele Presseförderungsprojekte der SDA, persönlich.ch, und anderen. Ein noch nicht aktiver Verein «ch-intercultur» (ehemals Schweizerischer Feuilletondienst), ohne Kunden und Inhalte, ist bereits als «Nachrichtenagentur» für Kulturelles vorgesehen. Für diese Beiträge sind keine Ausschreibungen ersichtlich, es sind Projekte, die vom BAK selber in Eigenregie bestimmt werden. Wenn also «Kultur nur Finanzpolitik sein darf», dann sollten wir uns bewusst sein, dass wir damit die Demokratie in Klassen einteilen und manipulieren.
Das sind ambitionierte Gedanken für eine Kulturzeitschrift. Und es ist klar, dass wir unsere Redaktion nicht von heute auf morgen, mit unseren strukturellen und finanziellen Möglichkeiten, umbauen können. Doch können wir ein Zeichen setzen und die Diskussion laut werden lassen.
«Ensuite – Zeitschrift zu Kultur & Kunst» ist genau vor 19 Jahren in einem kleinen Büro in Bern erdacht worden. Seither haben wir allen Wellen getrotzt und auch alles überlebt. Selbst die Corona-Krise hat uns eher gestärkt, als geschwächt. Es gab Zeiten, da arbeiteten über 100 Personen monatlich an den Ausgaben – heute sind wir noch 35 – 40 Personen. Bei uns geht es nicht um Geld, sondern um Inhalte. Zwar sind wir seit 4 Jahren in den Zahlen stabil und «grün» — allerdings haben wir noch immer hohe Schulden abzubezahlen, was uns, nur schleppend gelingt. Wir danken entsprechend allen PartnerInnen, GeldgeberInnen und UnterstützerInnen für die Geduld und Mithilfe.