Von Walter Rohrbach — Die integrative Party im Lorrainebad: «Säbeli Bum» ist offen für alle und richtet sich nicht an ein bestimmtes Zielpublikum – speziell eingeladen aber werden Jugendliche und junge Erwachsene mit einer Behinderung. Das Festival der etwas anderen Art bietet so Raum, sich offen frei und ungezwungen kennen zu lernen und zusammen Spass zu haben. Ein Gespräch mit zwei engagierten Organisatorinnen rund um das demnächst stattfindende Musik- und Theaterfestival «Säbeli Bum», Rahel Bucher und Felicia Kreiselmaier.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen ein solches Festival zu organisieren?
R: Mein Freund und ich organisieren bereits seit zwölf Jahren Ferienlager mit geistig behinderten Menschen. Bereits damals war der Gedanke entstanden, Menschen mit einer Behinderung aus ihrer Alltagsroutine herauszuholen und mit ihnen Dinge zu tun, die sie gerne machen. Hier unterscheiden sich Menschen mit einer Behinderung nicht von anderen jungen Leuten, auch sie haben das Bedürfnis Feste zu feiern und Musik zu hören. Daraus ist die Idee entstanden, ein Festival zu organisieren, wo sich auch Menschen mit einer Behinderung wohlfühlen können.
Wie seit ihr auf den Namen «Säbeli Bum» gekommen?
R: Der Begriff ist während eines Aufenthaltes im Lorrainebad entstanden. Wir haben einen möglichst komischen Fantasienamen gesucht, den sich die Leute gut merken können. Zudem sollte der Name einen gewissen Bezug zum Festival und dessen Inhalt haben. So sind wir auf «Säbeli Bum» gestossen: Ein Wortspiel rund um Piraten (Säbeli steht für Säbel), weil das etwas ist, was die Behinderten fasziniert, und Musik (Bum).
War es schwierig Bands zu finden?
F: Nein, überhaupt nicht. Wir hatten bis auf einmal noch nie eine Absage. Zudem ist der Veranstaltungsort (Lorrainebad) ein Vorteil. Unter freiem Himmel aufzutreten verspricht eine spezielle Atmosphäre, und die Nähe zum Publikum gibt jedem Auftritt eine zusätzliche Dynamik. Zudem haben die auftretenden lokalen Bands meist einen persönlichen Bezug zum Berner Freibad.
R: Es ist auch für die Bands eine spezielle Erfahrung. Es ist «anders» und «unvorhersehbarer» bei Säbeli Bum aufzutreten. Man muss sich als Band anders einstellen und spontaner sein, denn man weiss als Band nie genau was während des Konzertes passiert. Bands die bei Säbeli Bum auftreten, müssen bereit sein das Publikum miteinzubeziehen, ein gewisses Mass an Interaktion zuzulassen. Zudem ist das Feedback viel direkter. Ein weiterer Vorteil des Lorrainebades ist, dass sich auch Leute unter das Publikum mischen, die nicht wegen des Festivals gekommen sind, wodurch zusätzliche, unterwartete Begegnungen stattfinden können.
Was musstet ihr bei der Organisation und bei den Vorbereitungen speziell beachten, und wo ergaben sich Schwierigkeiten?
R: Oft ist es schwierig, mit Menschen mit einer Behinderung in Kontakt zu kommen, deshalb werden sie über die verschiedenen Institutionen direkt angeschrieben. Zudem gibt es einige Dinge, an die man zusätzlich denken muss, die bei anderen Festivals klar sind. Beispielsweise sind einige Behinderte gegenüber der Sonneneinstrahlung besonders empfindlich und müssen speziell davor geschützt werden.
F: Erstaunlicherweise war die Nähe zur Aare nie ein Problem. Das Spezielle an dem Festival ist, dass es ein «Mischtopf» ist und nicht speziell für Behinderte, auch nicht speziell für Nichtbehinderte konzipiert wurde. Es ist ein Event, wo Behinderte explizit eingeladen werden, womit ihnen die Möglichkeit geboten wird an einem Festival teilzunehmen. Ziel des Festivals ist die Offenheit gegenüber allen Besuchern und dem Zusammenkommen der «unterschiedlichsten» Menschen – eine Segregation sollte vermieden werden. Das Programm wird daher nicht speziell für Behinderte oder Nichtbehinderte erstellt.
Was war bisher euer persönliches Highlight im Zusammenhang mit Säbeli Bum?
R: Jeder Act der bisher teilgenommen hat konnte etwas beim Publikum auslösen. Was mir aber immer sehr Gefallen hat, waren die grossen Hip Hop Acts am Schluss. Im ersten Jahr hatten wir Wurzel 5 und letztes Jahr Greis. Dieses Jahr wird Steff la Cheffe am Festival teilnehmen. Gerade Greis war für mich eines der Highlights, da er keine Berührungsängste hatte und sehr interaktiv mit dem Publikum umgehen konnte. Aber auch die vielen kleinen Highlights machen das Festival aus.
F: Wenn ein bleibender Eindruck entsteht. Beispielsweise wenn die Kinder Erklärungen über Säbeli Bum abgeben. Ganz schön finde ich es immer, wenn eine Dynamik ins Festival kommt. Anfangs sind noch viele gehemmt und wissen nicht so recht, wie sie sich bewegen sollen. Später kommt dann ein Punkt wo eine Veränderung stattfindet, und die Leute beginnen ihre Scheu zu verlieren. Diesen Moment finde ich immer ganz speziell, weil dann die Leute aufeinander zugehen und Grenzen abgebaut werden.
Was ist die Motivation für euer Engagement?
R: Durch die Arbeit und den Kontakt mit Menschen mit einer Behinderung lerne ich mit einem anderen Blick auf die Welt zu schauen und langsamer zu werden. Wir sind alltagsgestresste Individuen mit vielen Aktivitäten und Projekten, und durch die Arbeit mit behinderten Menschen hat man zuerst das Gefühl, gebremst zu werden. Dadurch kriegt man aber die Möglichkeit, andere Dinge und eine neue Lebensqualität zu entdecken. Weiter ist es mir ein Anliegen, dass sich Menschen mit einer Behinderung genauso in einer Gesellschaft bewegen können wie alle anderen auch.
F: Für mich ist ein wichtiger Motivationspunkt, dass durch das Festival ein Raum geschaffen werden kann, der Begegnungen mit Menschen ermöglicht, die sonst durch bestimmte Regeln und Normen getrennt sind. Spannend finde ich zudem, die Normalität in Frage zu stellen und sich damit auseinanderzusetzen, was überhaupt «normal» ist und was als «nicht normal» angesehen wird. Ein Festival zu organisieren, das Freude auslöst, wo Grenzen unbewusst überwunden werden können, finde ich faszinierend.
ensuite ist Medienpartner von SäbeliBum. Dass wir allerdings am letztjährigen Festival so präsent präsentiert wurden, hat selbst uns überrascht!
Foto: zVg.
ensuite, August 2011