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Sandkastenspiele

Von Lukas Vogel­sang — Ver­lags­fürste in der Schweiz und auch ander­wo, präsen­tieren uns seit Jahren erschreck­ende Bilanzen und Zahlen. Jährlich wer­den Mil­lio­nen an Gewin­nein­bussen gemeldet. So hat die Tame­dia im 2009 einen Gewin­nrück­gang von 55,8 Prozent zu verze­ich­nen. Das sind aber immer noch fast 60 Mil­lio­nen Gewinn. Auch Ringi­er, das Mon­ster-Ver­lagsim­peri­um, musste gegenüber dem Reko­rdgewin­n­jahr 2008 ganze 72,4 Prozent ein­steck­en. Die NZZ mit einem Gewinn von 22,2 Mil­lio­nen im Vor­jahr machte im Krisen­jahr sog­ar 3,1 Mil­lio­nen Ver­lust. Welch trübe Stim­mung da in den Ver­lagshäusern herrschen muss, erk­lärt die Lust­losigkeit der Zeitun­gen von heute. Inno­va­tio­nen wer­den alle­samt einges­part. Inter­es­sante Artikel liegen ausser­halb des Bud­gets, und all­ge­mein bekan­nter Pflicht­stoff wird mit trüben Hin­tergedanken den Agen­turmel­dun­gen abgeschrieben.

Seit Jahren ver­suchen uns die Ver­lags­fürsten zu erk­lären, dass nur eine gewinnbrin­gende Zeitung eine Zeitung ist, dass es nur glück­liche AktionärIn­nen geben kann und darf und posaunen gle­ichzeit­ig, dass der Jour­nal­is­mus tot ist.

Es sind die gle­ichen Ver­lags­fürsten, die mit grossen Investi­tio­nen Gratiszeitun­gen auf den Markt wer­fen, nur um die Konkur­renz in die Knie zu zwin­gen. Es sind die gle­ichen Ver­lags­fürsten, die statt Zeitun­gen gratis Onlinepor­tale erstellen, Kom­merz­plat­tfor­men betreiben, Lebens­mit­tella­bels ver­mark­ten, Konz­erttick­ets oder sel­ber Kul­turver­anstal­ter spie­len. Die gle­ichen Machthaber sparen bei den eige­nen Zeitun­gen ein, damit sie die gewinnbrin­gen­deren Geschäft­szweige aus­bauen kön­nen. Eigentlich wollte man neue Geschäft­szweige bauen, um die Zeitung zu stützen. Doch das ist zu einem Eigen­lauf gewor­den. Es sind diese ver­flix­ten Investi­tio­nen, die das Geld für die Zeitun­gen im Sand erstick­en lassen – eben dieses Geld, welch­es für die Zukun­ft der Presse­pro­duk­te gedacht war. Es nützt nichts mehr, dieses noch zu giessen. Daraus wächst nichts mehr.

Die Ver­lags­fürsten haben die Zeitungskuh so lange gemolken, bis deren Zitzen wund gewor­den sind. Das Erstick­en an der eige­nen Phan­tasielosigkeit lassen sie nun die ganze Welt wis­sen. Und die Ver­lags­fürsten mit den Villen an den Gold­küsten jam­mern bit­ter. Sie konzen­tri­eren sich so vehe­ment auf das Sparen, damit doch Gewinn entste­ht, dass sie vergessen haben, was sie eigentlich pro­duzieren.

In dieser Aus­gabe von ensuite hat es drei Artikel, die bei den grossen Tageszeitun­gen aus so genan­nten Bud­get­grün­den abgewiesen wur­den. Uns wur­den diese Texte gratis zur Ver­fü­gung gestellt, im Wis­sen darum, dass wir diese mit Würde und Respekt abdruck­en wer­den. Das ist immer noch bess­er, als wie ein «armer Hund» bedi­ent zu wer­den. Aber es kommt alles noch bess­er: Die zehn grössten Tageszeitun­gen haben ins­ge­samt 4,4 Mil­lio­nen Leser. Vor fünf Jahren waren es noch 4,3 Mil­lio­nen. Auch die Wer­beein­nah­men ste­hen im Ver­gle­ich zu den Gewin­nein­bussen in einem anderen Ver­hält­nis: 2009 sind die Wer­beein­nah­men nur um 17 Prozent einge­brochen. Das ste­ht nicht mal im Ein­klang mit den Gewin­nver­lus­ten der Ver­lage. Die scheinen grund­sät­zlich Mühe zu haben.

Die Ver­lags­fürsten wollen uns komis­che Sand­kas­ten­spiele verkaufen. Vielle­icht haben sie ja von Geschäften keine Ahnung. Vielle­icht lieben sie ihre Zeitun­gen nicht so, wie die LeserIn­nen sie lieben – oder liebten. Vielle­icht lieben es die Fürsten ein­fach, mit dem Porsche bei der näch­sten Aktionärsver­samm­lung vorz­u­fahren und nicht mit Eiern bewor­fen zu wer­den. Aber ich finde das alles nur noch pein­lich.

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ensuite, Mai 2010