Von Lukas Vogelsang — Ich wage die Provokation und versuche eine Golfrubrik in einem Kulturmagazin unterzubringen. Golf und die Kulturszene – die Reaktionen kommen dem Urschrei schon verdächtig nahe. Und trotzdem: Die Meisten, welche auf Golf spucken, haben noch nie gespielt. Umgekehrt ist es wohl ähnlich. Ich bin aber der Meinung, dass Kultur verbindend sein sollte. Deswegen wagen wir hier im ensuite (die Kolumne heisst ja auch Schlachtfeld) den Auftakt – mal sehen, wie lange es geht, bis ich von einem Golfschläger oder von einer Opern-Arie erschlagen werde.
Grundsätzlich müssen wir aber eines klarstellen: Golf ist ein Volkssport. In Amerika, Australien und vielen Ländern ist es normal, mit pinkigen T‑Shirts, sonnenverbannten Gesichtern und mückenverstochen in Gebüschen nach verlorenen Bällen zu suchen. Dazu braucht es weder viel Geld noch eine goldene Ausrüstung, das Spiel kostet so viel wie ein Kinoticket bei uns – oft inkl. Miete der Schläger. Die «Platzreife-Prüfungen» sind vor allem in Europa – und auch hier nicht überall – vorgeschrieben. Das hat sehr wohl viel mit Kultur zu tun: Lange Zeit wollte die edle, wohlhabende Rasse auf den Plätzen kein «Gesindel» sehen. Doch seit die finanziellen Krisen an vielen Portemonnaies nagen, zeigt sich die hochnäsige Elite mild. Irgendjemand muss ja den Platzgärtner bezahlen. Zudem sind die heutigen «Neureichen» nicht mehr so exklusiv, und sozial sehr durchmischt.
Was ich aber nicht ganz verstehe sind die Aversionen der «Nicht-GolfspielerInnen», welche beim blossen Wort bereits einen Nesselausschlag einfangen. Golfer müssen dafür erst Bälle suchen, und dies deutet oft auf schlechte SpielerInnen. Kann man das umgekehrt gleich betrachten?
Die Faszination «Golf» hat mich letzten Herbst erfasst, als ich das Redaktionsbüro nur noch zum Schlafen verliess und irgendeinmal beschloss, dass sich mein Leben grundlegend verändern muss: Ich besuchte einen Golf-Schnupperkurs. Mein Leben hat sich verändert. Meine sozialen Beziehungen haben sich verändert. Nach einem Monat Training verlor ich 4 Kilos und war so oft verletzt, wie damals mit fünfzehn Jahren, als ich bei den Junioren vom GGB (Gymnastische Gesellschaft Bern) Handball spielte. Trotzdem fühle ich mich auf dem Golfplatz so gesund wie das Kulturpublikum, welches nach einer lausigen Tanzvorstellung übermässig applaudiert. Euphorie ist heilend. Am Wichtigsten aber ist: Golf ist wahnsinnig lustig – was man von «Kultur» nicht immer sagen kann. Und wer meint, dass man beim Golfspielen nicht ebenso über Gott und die Welt zu sinnieren beginnt, dass es nicht ähnlich bewegend ist wie eine Oper, der kann sich in den nächsten Ausgaben, bei meinen Versuchen, das Schlachtfeld zu erklären, vielleicht umstimmen lassen. Das Ziel dieser Operation ist ganz klar: Die Oper muss auf den Golfplatz und Golf ins Stadttheater. Auf in die Schlacht!
Foto: Ted Scapa
ensuite, August 2012