Von Simone Weber — Was sind gute Kleider? Diejenigen, die lange halten, die, die allen auffallen, die viel Geld kosten oder die einen bekannten Namen tragen? Vielleicht ist gute Kleidung diejenige, die uns selbst, im Zuge ihres Erwerbs, gut dastehen lässt. Gut-mach Kleidung also gewissermassen. Für ein gutes Gewissen. Sind wir für sowas zu egoistisch, zu geizig, oder moralinallergisch? Fairtraide Kleidung gibt es nicht erst seit gestern. Gegen billige Massenware konnte sie sich bisher trotzdem nicht durchsetzten. Wissen wir vielleicht einfach nicht, wo «gute» Kleidung kaufen oder wie «schlechte» Kleidung meiden? Dass Konzerne, die mit ihren skandalösen Arbeitsbedingungen durch die Medien gezogen werden, boykottiert werden sollten, versteht sich von allein. Nur so sind diese gezwungen, ihre Produktionsweise zu ändern. Laut Beobachter sollte man nur hochwertige Textilien kaufen, um den persönlichen Kleiderverbrauch zu reduzieren. Wie viel ein Shirt tatsächlich kostet, ob zehn oder achtzig Franken spielt hingegen keine Rolle. Der Arbeiter im Ausland verdient normalerweise in beiden Fällen den gleich tiefen Lohn.
Fairtrade Kleidung setzt der guten Qualität noch einiges hinzu. Dafür reicht das Etikett 100 Prozent Baumwolle aber leider längst nicht aus. Im Gegenteil, gerade handelsübliche Baumwollprodukte sind chemiegetränkt und klimaschädlich. Dass es auch anders möglich ist, beweisen Bauern, die ihre Baumwolläcker mit Handpflug bearbeiten und die Erde mit Mist und Kompost düngen. Dem Boden wird Zeit zur Regeneration gelassen. Dies macht Bio-Baumwolle zu einem umweltschonenden Naturprodukt, das auf natürlicher Basis in einem selbsttragenden Ökosystem hergestellt wird. Die Fruchtbarkeit des Bodens bleibt erhalten. Gentechsaat ist verboten. Für diese Art der Bio-Baumwollkulturation erhält ein Bauer einen höheren Abnahmepreis, nochmals mehr bekommt er für faire Arbeitsbedingungen seiner Mitarbeiter. Wer Produkte aus Bio-Baumwolle kauft, unterstützt den Bauer also darin, dass er ein höheres Einkommen erwirtschaften kann, soziale Mindeststandards werden eingehalten, die Natur wird geschont.
Die Bezeichnung «Fairtrade» bezieht sich hauptsächlich auf Waren, die von Entwicklungs- in Industrieländer exportiert werden. Das Fairtrade Siegel vereint in sich die Förderung ökologischer Landwirtschaft und den direkten Handel mit den Produzenten. Ohne Zwischenhändler. Der Anbau von Biobaumwolle ist genauso wichtig wie gerechte Arbeitsbedingungen für Näherinnen. Ziel von Fairtrade ist die Armutslinderung und Entwicklungsförderung, was durch die Bezahlung von fairen Preisen gewährleistet werden soll. Fairer Handel ist eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Ebenfalls steht Fairtrade für gesundheitsverträgliche Arbeitsbedingungen, Gleichberechtigung von Frauen und ein Verbot von Kinder- und Sklavenarbeit. Zusammengefasst steht Fairtrade für Fairness gegenüber Mensch und Umwelt. Und weil Menschen Zahlen brauchen: 7,5 Millionen Landwirte weltweit profitieren vom fairen Handel. Heute stammen mindestens 5% der verkauften Baumwollprodukte aus Bioproduktion.
Trotz all der guten Vorsätze, fehlt es aber nach wie vor an Transparenz in der Preiszusammensetzung. Man muss sich fragen, was ein gerechter Preis oder ein gerechter Lohn wirklich sind. Da sind Produzent und Endverkäufer wahrscheinlich kaum derselben Meinung. Wer erhält wie viel Geld für welche Leistung? Oft sind die Produkte in Anbetracht des Mehrpreises, der dem Produzenten zu gute kommt, deutlich zu hoch. Vielleicht wird das gute Gewissen des Käufers so teilweise auch ausgenutzt.
Anbieter von Fairtrade Kleidung sind schnell gefunden. Trotzdem halten sie ganz unterschiedliche Standards ein. «Fair Trade» ist nicht gleich «Fairtrade». Nur letztere Bezeichnung ist markenrechtlich geschützt. Als Fair Trade kann theoretisch jeder seine Ware anbieten. Es empfiehlt sich, ganz genau hinzuschauen oder auch direkt nachzufragen.
Wer Fairtrade Kleidung trägt, setzt damit weniger ein modisches Statemant, als viel mehr ein gesellschaftliches. Trotzdem gibt es «gute» Kleidung, die auch stylisch ist. Trotzdem ist das Juttensack-Bild von Fairtrade Kleidern leider immer noch nicht ganz verblasst. Dieses Image existiert jedoch nur noch in den Köpfen der Leute. In der Realität hat sich da einiges verändert. Es gibt heute fair produzierte Kleider, die modisch den aktuellen Trends absolut entsprechen. Hippe Modemarken bieten Fairtrade Kleider in unterschiedlichen Styles und diversen Schnitten und Farben an. Levis beispielsweise hat eine indigoblaue Baumwolljeans mit dem Namen «Eco» im Sortiment. Auch Zara oder American Apparel führen Bio-Kollektionen, die sich sehen lassen können. Mit blossem Auge erkennt der Träger von fairer Mode kaum einen Unterschied zu anderen Produkten. Die Haut aber fühlt den Unterschied, und erst recht das Herz.
Foto: Ökologische Mode von Rosemunde organic / zVg.
ensuite, April 2011