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Schwerlastentransport

Von Iri­na Mahlstein — Son­ntagabende sind etwas Wun­der­bares, wenn man sie schön in Ruhe zu Hause ver­brin­gen kann. Dieses Mal besteige ich aber mit drei schw­eren Taschen den Bus, glück­lich, einen Sitz­platz zu erspähen, steure ziel­stre­big auf ihn zu und quetsche mich mit Mühe neben die ältere, zeitungsle­sende Dame. Dabei gelingt es mir nicht ganz, meine Taschen kon­trol­liert zu manövri­eren und stosse unbe­ab­sichtigt an ihre Schul­ter. Die Dame star­rt mich mit wüten­den Augen an und murmelt, ich solle doch die Taschen vorher able­gen und mich dann hin­set­zen. Über­rascht über so viel Unver­ständ­nis für meine offen­sichtlich schwierige Sit­u­a­tion erwidere ich, dass ich dies gerne gemacht hätte, wenn ich drei Hände hätte, und ich fände es eine Frech­heit, dass sie mir nicht mehr Ver­ständ­nis ent­ge­gen­bringe. Das hätte ich bess­er nicht gesagt. Damit war der Grund­stein für eine hässliche Wortschlacht gelegt. Sie nen­nt mich daraufhin ein junges Tüp­fi, welch­es nicht weiss, wie man sich zu benehmen hat. Ich mein­er­seits beze­ichne sie als alte, einge­bildete Dame, welche man nur mit Sei­den­hand­schuhen anfassen darf. Und so ging es weit­er bis zum Albis­rieder­platz, wo die Dame den Bus ver­liess.

Ein ander­mal, als ich wieder am Son­ntagabend schw­er beladen den Heimweg antreten musste, beschloss ich, dies mit der Emma zu tun. Damit würde mir ein ähn­lich hässlich­es Bus­in­ter­mez­zo bes­timmt erspart. Ich stand also vor der Her­aus­forderung, mit Emma und ein­er kaum vorstell­bar schw­eren Tasche den lan­gen Weg zwis­chen Bahn­hof und meinem ersehn­ten Zuhause unter die Räder zu nehmen. Zwanzig Meter nach dem Los­fahren kippt mir die ganze Ladung schon schi­er runter. Durch not­fallmäs­siges Hän­de­fuchteln und gefährliche Ret­tungsak­tio­nen mit­ten auf der Strasse krieg ich es ger­ade noch hin, alles im Gle­ichgewicht zu hal­ten. Hin­ter der Kaserne wird Emma durch ein Auto aus­ge­bremst und ich bin gezwun­gen, vom Fahrrad zu steigen, mit mir die Tasche mit dem Wasch­pul­ver, Mehl, Zuck­er (ja, ich liebe es, Wei­h­nachtskekse zu back­en, und ich backe tolle Kekse) und aller­hand anderem Krim­skrams. Da ein paar Mis­setäter mein­er besten Emma den Stän­der abge­brochen haben, sah ich mich gezwun­gen, mit ein­er Hand die Emma bal­ancieren, mit der anderen die immer noch unglaublich schwere Tasche und die her­aus­gepurzel­ten Dinge von der Strasse zusam­men zu kratzen (hab vergessen zu erwäh­nen, dass ich ger­ade links abbiegen wollte, das heisst, mein Krim­skrams lag wirk­lich MITTEN auf der Strasse).

Einen total über­forderten Ein­druck machend, kam mir eine rauchende, mit schwarzen, nach hin­ten gek­lebten Haaren, etwa um die Dreis­sig, Fahrrad fahrende Frau zu Hil­fe. Natür­lich total froh über jegliche Hil­fe, da alleine abso­lut unfähig die Sit­u­a­tion zu meis­tern, war ich allerd­ings eben­so über­fordert mit der fast aggres­siv auf­dringlichen Hil­feleis­tung, die mir mit­ten auf dun­kler Strasse ange­boten wurde. Ganz selb­stver­ständlich krallt sie sich meine Sachen, stopft sie in die Tasche, klam­mert sich an Emma, posi­tion­iert das Kör­bchen neu, lässt mich meine nach wie vor unglaublich schwere Tasche aufladen, schnappt sich meine Fahrrad­schloss und wick­elt es einige Male um die Laschen mein­er Tasche, bevor sie es zuschnap­pen lässt mit der Begrün­dung, dass jet­zt nichts mehr raus­fall­en könne, da die Tasche ja nun abgeschlossen sei. Ich starre erstaunt auf das Mehl und Wasch­pul­ver, welche munter aus der Tasche her­aus­lu­gen, und frage mich, wie nun diese Logik funk­tion­ieren soll.

Und damit rauscht meine Helferin auf ihrem Fahrrad davon und ich steh wieder alleine mit­ten auf der Strasse. Ich schiebe mich und Emma an und düse weit­er, in der Hoff­nung, dieses Mal die Kon-trolle nicht mehr zu ver­lieren. Gott sei Dank habe ich vergessen, die Eier einzukaufen. Das wäre ja lustig gewe­sen, dieses Geschlab­bere mit­ten auf der Strasse und in mein­er Tasche. Manch­mal meint es das Schick­sal eben doch gut. Ich glaube, 2009 wird ein gutes Jahr, ein sehr gutes sog­ar.

Foto: Bar­bara Ine­ichen
ensuite, Jan­u­ar 2009

Artikel online veröffentlicht: 29. Juli 2018