Von Konrad Pauli — Unterwegs war er seit jeher. Unterwegs war er auch, wenn er zu Hause war, wenn er sich irgendwo hinsetzte und sich Gedanken machte. Allerdings: Wollte er sich Gedanken machen, blieben sie aus; oder sie waren von einer Qualität, dass sie sich leicht in die Kategorie der Unbrauchbarkeit abschieben liessen, sie also von keinerlei Nutzen waren. Zuweilen flog ihm freilich ein Stichwort zu, unerwartet, aber erwünscht – und daraus flocht er einen Satz, eine Abfolge, eine kleine oder längere Geschichte. Ohne Geschichten war das Leben kein Leben, ob aufgeschrieben oder vorübergehend wieder vergessen. – Unterwegs war er, Zeit seines Lebens, wie andere auch, und er war ein Sammler, ein Schmetterlingsfänger, obschon er keinem Schmetterling jemals etwas zuleide tat. Er sammelte Augenblicke, selbst wenn ihm viele sogleich zwischen den Fingern zerrannen – er spürte eine Weile, dass da etwas war einen Atemzug lang, und er war darauf aus, dass etwas zurückkam in die Finger und greif- und haltbar wurde. In Sätze wollte er ES kleiden, im Wissen darum, dass das Eingefangene doch auch wieder nur die Verpuppungshülle war, abgestreift, aber gleichwohl ein exakter Fingerzeig auf Abhandengekommenes.
Foto: zVg.
ensuite, Dezember 2010