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Seit jeher unterwegs: Literarische Fragmente 13

Von Kon­rad Pauli — In der Kind­heit gab es diese Quartierkriege — mit jen­em Feuereifer aus­ge­tra­gen, der Schram­men und Beulen als Ausze­ich­nun­gen qual­i­fizierte und so kleine und grössere Helden schuf. Hohheits­ge­bi­ete gab es zu vertei­di­gen, im Rhyth­mus der Jahreszeit­en — weil: Der Feind war über­all und unberechen­bar. War’s län­gere Zeit zu friedlich, half gele­gentlich eine Pro­voka­tion zu neuer Auseinan­der­set­zung. Das Kampf­da­tum wurde vere­in­bart, auch die unge­fähre Schlacht­feld­zone — doch es kam vor, dass man stun­den­lang umson­st auflauerte und auf den Geg­n­er wartete, was natür­licher­weise die Ungeduld und Stre­itlust ins Uner­messliche steigerte; Fei­glinge waren nun die Andern, dop­pelt und dreifach ver­di­en­ten sie den Schlagab­tausch.

Die Zwölfjähri­gen hat­ten sich auf dem Hügel ein­er ehe­ma­li­gen Burg ein­gerichtet und ver­schanzt; Weit- und Tief­blick erlaubten unge­hemmte Sicht ins Fein­des- und Anmarsch­land. Sollen sie nur kom­men — war die Devise; man lag im Gras, kaute nervös am Halm, verteilte und überwachte Beobach­tungssek­toren — wehe, wenn sich jet­zt ein­er eine Nach­läs­sigkeit zuschulden kom­men liesse. Die Sieges­gewis­sheit nährte sich freilich aus dem Umstand, dass sich zu den Zwölfjähri­gen ein kräftiger Sechzehn­jähriger gesellt hat­te, von dem der Geg­n­er nichts zu Ohren bekom­men hat­te. Die Nach­mit­tagssonne kippte in eine Abend­sonne, als das feindliche Heer, eine Schar von etwa einem hal­ben Dutzend Zwölfjähri­gen, in Sichtweite geri­et und sich langsam dem Burghügel näherte. Lock­rufe, Kriegs­geschrei, reizten die Ankömm­linge, forderten sie auf zum Stre­it und Sturm, zur langersehn­ten Abrech­nung. Und es kam, wie es kom­men musste: Der Sechzehn­jährige ver­haute einen nach dem andern, dass es eine Freude war. Allerd­ings blieb über Wochen der Vor­wurf, sich nicht an die Spiel­regeln gehal­ten zu haben. Diese freilich wur­den zuvor niemals aufgestellt. Die Gewis­sheit, mit ein­er Kriegslist den Erfolg her­beigezwun­gen zu haben, hallte lange nach. Als heiligte der Zweck in der Tat alle Mit­tel.

Foto: zVg.
ensuite, Jan­u­ar 2011