Von Konrad Pauli — Es war die Zeit, in der viele Betriebsleiter und hohe Manager vergessen hatten, dass hinter dem Mitarbeiter oder in der Mitarbeiterin ein Mensch steckte, der zwar seinen Lohn nicht umsonst zu verdienen vermeinte, der freilich jedoch etwas anderes war als ein blos-ser Funktionär und Quotenerfüller. Indessen hatte die ganze Belegschaft Angst, nicht zu genügen und mit dem Kündigungsschreiben konfrontiert zu werden. Die Betriebsmachthaber wussten natürlich darum, und waren, entgegen allen Beteuerungen, insgeheim froh, über ein solches Machtinstrument der (auch stummen) Einschüchterung und Herrschaft zu verfügen. Wer Angst hat, unterwirft sich leichter.
Als hätte sich, was indessen nicht der Fall war, die Belegschaft abgesprochen, griff eine merkwürdige Unpässlichkeit um sich: Allemal, wenn ein Mitarbeiter eine wie auch immer geartete eklatante Zumutung einstecken mus-ste, reagierte derselbe oder dieselbe mit einem Hautausschlag. Die Schuppenflechte griff so rasch und einschneidend um sich, dass die betroffene Person nicht mehr in der Lage war, die Tastatur des Computers zu bedienen. Das hatte zunächst Überheblichkeiten, ja, Drohungen und Zurechtweisungen von oben zur Folge – komplizierter wurde die Lage erst, als sich das Leiden der Angestellten seuchenhaft ausbreitete, und bald niemand mehr imstande war, die Sachbearbeitungen richtig und fristgerecht vorzunehmen. Nach drei vier Entlassungen kam die Firmenleitung zur Einsicht, dass auf diesem Weg das Problem nicht aus der Welt zu schaffen war – und schliesslich erinnerte sie sich an die alte Tatsache, dass jede Obrigkeit auf eine Untrigkeit, das heisst auf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen angewiesen ist. In einer weiteren, geradezu heldenhaften Anstrengung suchte man, mit Hilfe von Fachleuten, die Ursachen der Erkrankung zu erforschen, und als man einigermassen fündig geworden war, kam die Firmenleitung, auch auf Rat des alten Patrons hin, den dankbaren Opfern insofern entgegen, als man versprach, das Übel sozusagen an der Wurzel zu packen und für Abhilfe zu sorgen. So fing die eigentliche Arbeit erst an.
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ensuite, Februar 2011