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Seit jeher unterwegs: Literarische Fragmente 20

Von Kon­rad Pauli — Wie Vater, als er um Mut­ter zu wer­ben anf­ing, sie auf ein­stündi­gem Fuss­marsch zu Hause auf dem Hügel vor dem Wald auf­suchte, son­ntags, wenn die Arbeit eine Weile ruhen durfte. Die erste Zeit gab es für ihn jew­eils einen andern Grund, Vor­wand, den Besuch zu machen: Als junger Schnei­der kam es vor, dass man ihm eine Arbeit brachte, die mit Vorzug eine Frau, Damen­schnei­derin, zu erledi­gen ver­stand. Ja, er kenne eine Schnei­derin, er werde ihr die Arbeit, den Auf­trag brin­gen, die Sache nach Erledi­gung auch dort wieder abholen.

Schliesslich glück­ten dem jun­gen Mann die Son­ntags­be­suche auch ohne Vor­wand. Kam aber dazu, dass die ort­san­säs­si­gen jun­gen Män­ner Wind davon beka­men, dass, in regelmäs­si­gen Abstän­den, ein Fremder sozusagen in ihr Revi­er, in ihre Jagdgründe ein­drang und, worauf denn son­st, auf Beute aus war. Auch wenn kein­er von ihnen in der Gun­st der jun­gen Frau auch nur die ger­ing­ste Chance hat­te – es gehörte sich nicht, ver­let­zte jeden wenn auch ungeschriebe­nen Ehrenkodex, dass ein­er von ausser­halb sich gewis­ser­massen wildernd im eige­nen Ter­ri­to­ri­um herumtrieb. Also fin­gen sie an, dem frem­den Frevler aufzu­lauern – was für sich allein schon ein reizvolles Woch­enend­vergnü­gen war – warteten wom­öglich stun­den­lang, um den Übeltäter zu stellen, ihm eine Lek­tion zu erteilen – ein für alle­mal.

Über Spürsinn ver­fügte indessen auch der Ver­liebte und fremde Bewer­ber – und er hielt nun sein­er­seits Augen und Ohren offen, erhielt von der jun­gen Frau auch den einen oder anderen Hin­weis, so dass er sich zu wapp­nen wusste, stets aus­gek­lügel­tere Umwege ein- und aus­baute, und schliesslich dem unver­di­en­ten Strafgericht mit Erfolg ent­ging.

Foto: zVg.
ensuite, Novem­ber 2011

 

Artikel online veröffentlicht: 27. Februar 2019