Von Konrad Pauli — Wie Vater, als er um Mutter zu werben anfing, sie auf einstündigem Fussmarsch zu Hause auf dem Hügel vor dem Wald aufsuchte, sonntags, wenn die Arbeit eine Weile ruhen durfte. Die erste Zeit gab es für ihn jeweils einen andern Grund, Vorwand, den Besuch zu machen: Als junger Schneider kam es vor, dass man ihm eine Arbeit brachte, die mit Vorzug eine Frau, Damenschneiderin, zu erledigen verstand. Ja, er kenne eine Schneiderin, er werde ihr die Arbeit, den Auftrag bringen, die Sache nach Erledigung auch dort wieder abholen.
Schliesslich glückten dem jungen Mann die Sonntagsbesuche auch ohne Vorwand. Kam aber dazu, dass die ortsansässigen jungen Männer Wind davon bekamen, dass, in regelmässigen Abständen, ein Fremder sozusagen in ihr Revier, in ihre Jagdgründe eindrang und, worauf denn sonst, auf Beute aus war. Auch wenn keiner von ihnen in der Gunst der jungen Frau auch nur die geringste Chance hatte – es gehörte sich nicht, verletzte jeden wenn auch ungeschriebenen Ehrenkodex, dass einer von ausserhalb sich gewissermassen wildernd im eigenen Territorium herumtrieb. Also fingen sie an, dem fremden Frevler aufzulauern – was für sich allein schon ein reizvolles Wochenendvergnügen war – warteten womöglich stundenlang, um den Übeltäter zu stellen, ihm eine Lektion zu erteilen – ein für allemal.
Über Spürsinn verfügte indessen auch der Verliebte und fremde Bewerber – und er hielt nun seinerseits Augen und Ohren offen, erhielt von der jungen Frau auch den einen oder anderen Hinweis, so dass er sich zu wappnen wusste, stets ausgeklügeltere Umwege ein- und ausbaute, und schliesslich dem unverdienten Strafgericht mit Erfolg entging.
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ensuite, November 2011