Von Konrad Pauli — Vaters Heiterkeit und Humor hatte sich als Schalk in kleinen Falten in den Augwinkeln niedergeschlagen und fein eingegraben –und der Junge erfuhr, dass Vater diesbezüglich Grossvaters Erbe übernommen hatte. Grossvater, Jahrgang 1874, hatte verschiedene Berufe, teilweise nach‑, aber über Jahre auch miteinander. Als Fotograf zählte er sich in der Region zu den Pionieren. Dem Kind blieb unvergessen, wie Grossvater, vorzüglich bei Gruppenfotos, unter einem schwarzen Tuch verschwand und dort die geheimnisvollen Handgriffe tätigte.
Anlässlich einer solchen Gruppenaufnahme in einem kleinen Dorf eilte eine alte Frau herbei, bestürmte Grossvater, er möge doch, zumal er ohnehin herbeigereist sei, von ihr und ihrem Mann unter dem eben aufblühenden Magnolienbaum ein Foto machen. Grossvater, im Umgang mit dem kostspieligen Fotomaterial zurückhaltend, liess sich, nach wiederholter Ablehnung geradezu bedrängt, endlich erweichen, das Gerät im Magnoliengarten aufzustellen, unters Tuch zu schlüpfen (lautlos kichernd vor Spitzbübigkeit, wie der Junge dachte) und abzudrücken. Später gestand Grossvater, er habe nicht einen Augenblick daran gedacht, für solch geringen Auftrag eine teure Platte zu opfern – er habe gar keine eingelegt. Unvergessen blieb dem Jungen aber auch das sonntäglich aufgeputzte, erwartungsvolle Lächeln der beiden Alten unter der üppigen Magnolienpracht.
Foto: zVg.
ensuite, Oktober 2011