Von Konrad Pauli — An diesem sonnigen Märztag gestattete er sich auf dem Fussweg in die Stadt einen Umweg und geriet in ein schmales, abfallendes Strässchen überm Fluss. Hier standen Villen und Vorgärten, wo man eben dran war, den Kies zu rechen und den Boden unter den Büschen zu säubern. Still war es sonst um diese frühe Nachmittagsstunde — die Stille schien aus der Vornehmheit der Villen mit den verschwiegenen Parks zu kommen, und ein langsam fahrendes Auto vermochte sie kaum zu durchbrechen.
Aus einem halboffenen Gartentor kam unvermutet eine Tigerkatze herangerannt, drückte sich auch gleich mit hochgestelltem Schwanz zwischen seine Beine. Er fuhr ihr über das knisternde Fell, und zum Dank bohrte sie ihre feuchte Nase und auch den Kopf in seine hohle Hand. Die Katze schnurrte so vernehmlich, als wolle sie mitteilen, er möge doch nie mehr aufhören mit seinen Zärtlichkeiten. Er hatte Zeit und war neugierig, wie lange die Katze Lust zum Verweilen haben würde. Ihr und ihm gefiel das Beisammensein so sehr, dass sie sich wechselseitig diesen Gefallen taten.
Auf einmal knirschten Schritte im Kies hin-ter der Hecke, und ein kleines blondes Mädchen schlüpfte aus dem Tor, kauerte zu der Katze hin und half sogleich mit, sie zu streicheln. Wohlig streckte und reckte und kugelte sich die Katze und genoss die doppelte Zuwendung in vollen Zügen. Bald fanden der Mann und das Mädchen zu ungezwungener Plauderei. Ohne Scheu erzählte das Mädchen von dem Tier, das sie zu Weihnachten von Mama geschenkt bekommen habe. Jetzt sei Frühling, endlich dürfe sie mit der Katze im Garten spielen, sie habe bloss ein wenig Angst, das Tier laufe weg. Der Mann und das Mädchen gerieten plaudernd und streichelnd in einen Eifer, dass sich ihre Hände im Katzenfell zuweilen berührten, und zum feinen Haar kam die zarte Kinderhaut. Lange hatten die Drei so miteinander zu tun, ohne dass ein falscher Ton, gar ein Missgriff die Innigkeit und Schönheit des Augenblicks getrübt oder zerstört hätte.
In seinem Rücken spürte der Mann auf einmal ein Auto langsam heranfahren, und wie er sich umwandte, sah er zwei Polizisten aus dem Wagen steigen. Als gäbe es etwas zu verscheuchen, blieben die Uniformierten stehen, hatten freilich nicht im Sinn, sich am Streicheln zu beteiligen. Höflich verlangte man seine Ausweispapiere. Diesen Unterbruch nutzte die Katze, endlich zum Haus zurückzueilen, und das Mädchen rannte ihr nach. Die Papiere waren in Ordnung, aber im Gesicht der Beamten klebte das Misstrauen. Endlich vernahm der Mann, die Polizei habe einen Anruf erhalten, draussen auf dem Gehsteig spiele ein Mann mit einem blonden Mädchen, eine Katze sei auch dabei, und man wisse ja, so etwas diene oft bloss als Vorwand zu Schlimmem. Der Mann verzichtete auf die Rechtfertigung, es sei ganz und gar nichts dabei gewesen im Spiel mit der Katze und dem Mädchen, zu sehr hatte er das Verweilen genossen. Während die Beamten ins Auto stiegen und lange nicht wussten, ob sie weiterfahren wollten, setzte der Mann seinen Weg fort. In seiner Hand nahm er den Duft von Tier und Mädchenhaut mit. An einem Brunnen ging er vorbei, hütete sich aber, sie zu waschen, war sie doch in keinerlei Weise schmutzig geworden.
Konrad Pauli ist Schriftsteller aus Bern.
ensuite, Dezember 2009