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Sheik Yerbouti

Von Bar­bara Roel­li — Zum Apéro sitzen wir in einem Kebab-Restau­rant und trinken türkisches Efes-Bier. Die Luft ist geschwängert vom Duft des Frit­tieröls, und den kleinen Raum dominiert ein riesiger Fernse­her mit Flach­bild­schirm. Eingeschal­tet ist ein Sender, der unun­ter­brochen Musikvideos spielt: Ein Hip Hop­per fährt in einem grossen amerikanis­chen Auto pal­mengesäumten Strassen ent­lang; die rechte Hand am Steuer, den linken Ell­bo­gen ruhend auf dem Rah­men des offe­nen Fen­sters, die Hand hängt herunter; erschöpft vom Gewicht klo­biger Goldringe. In den schwarzen Gläsern der Son­nen­brille spiegelt sich der Strand.

Näch­stes Musikvideo: Eine Frau mit gewell­ten, blondierten Haaren kni­et im weis­sen, durch­scheinen­den Strick­pullover auf einem weiss bezo­ge­nen Bett und singt. Man sieht ihre nack­te Schul­ter, die nack­ten Beine. Beim Sin­gen lächelt sie, ihr Teint ist glatt, sie fix­iert einen mit dunkel­braunen Augen, schle­icht sich wie eine Katze auf allen Vieren an, zieht mit den Hän­den den Pullover zwis­chen ihre Beine – unschuldig, wie ein kleines Kind, das ver­legen ist.

Dann ändert die Szene. Dieselbe Frau sitzt wieder auf einem Bett. Sie trägt einen schwarzen Body mit tiefem Auss­chnitt und Stellen, wo die nack­te Haut her­vorsticht. Das brust­lange Haar ist nun zu Lock­en gedreht, im Zeitlu­pen­tem­po wirft sie es in den Nack­en. Die Frau wälzt sich auf dem Bett, ihre nack­ten Beine schim­mern sei­dig, die Füsse steck­en in schwarzen High Heels. Sie singt «Oh, oh, oooh, oh» und öffnet dabei den rosa Mund weit. Dann taucht die Frau in einem haut­far­be­nen Kleid auf, nur etwas knall­rote Spitze bedeckt die Intim­zo­nen. Sie stützt sich mit den Hän­den an eine Wand, macht ein hohles Kreuz und streckt ihr Hin­terteil raus. Danach dreht sie sich um, lehnt sich mit dem Rück­en an die Wand, lässt aus­ladend ihr Beck­en kreisen und bewegt es heftig vor und zurück. Diese Stoss­be­we­gung wieder­holt sie mehrmals. Später räkelt sich die Frau mit ein­er dunkel­häuti­gen Frau auf dem Bett. Die bei­den saugen an ein­er Zigarre, den Schlafz­im­merblick zur Kam­era gerichtet. Der Lid­strich sitzt per­fekt, die Lip­pen sind in sat­tem Blutrot geschminkt. Dann reiben bei­de Frauen ihr Hin­terteil an der Wand, wieder kreist das Beck­en, wieder bewe­gen sie es heftig vor und zurück. Dann liegen sie wieder zusam­men auf dem Bett, stre­icheln sich mit lack­ierten Fin­gernägeln. Sie tra­gen üppig Gold­schmuck.

Zurück im Kebab-Restau­rant, wo ich mich frage, was die bei­den Frauen mit diesem Video sagen wollen. Meine freie Inter­pre­ta­tion: Schau mich an, wie schön und heiss ich bin. Nimm mich. Nimm mich von hin­ten und von vorne. Ich will Dich und Du willst mich. Du kannst uns auch bei­de haben. Lass es uns zu dritt machen.

Nun spie­len in dem Video aber keine Pornoqueens, son­dern zwei eigen­ständi­ge, etablierte Musik­erin­nen – Shaki­ra und Rihan­na. Und sie sin­gen ein Lied. Im Lied­text heisst es: «Ich kann mir nie merken, dass ich dich vergessen wollte. Ich vergesse immer wieder, dass ich dich gehen lassen sollte. Aber wenn du mich ansiehst, hab ich nur die Erin­nerung daran, wie wir uns im Mond­schein geküsst haben.» Das Lied han­delt von ein­er Amour fou, vom nicht loslassen kön­nen. Davon, alles zu tun, um zusam­men zu bleiben. Sog­ar zu töten dafür. Liest man die Stro­phen, so hat der Text so gar nichts zu tun mit der Show der Musik­erin­nen im Video. Ich bedau­re, dass sie schein­bar lieber mit dem Füdli wack­eln, statt zu zeigen, worum es im Text wirk­lich geht – näm­lich um eine Art von Liebe.

Foto: zVg.
ensuite, März 2014

Artikel online veröffentlicht: 15. Mai 2019