Von Corinna Möller — Von 2003, dem Gründungsjahr, bis 2009 fand das internationale Kurzfilmfestival «shnit» ausschliesslich in seiner Geburtsstätte Bern statt. Nicht, dass diese Tatsache etwas ungewöhnliches wäre, oder die Anzahl der Spielorte Rückschlüsse auf die Qualität einer Veranstaltung ziehen liesse, aber die Ausdehnung des Festivals auf aktuell acht Playgrounds scheint doch zumindest etwas über die Beliebtheit von «shnit» auszusagen. Mit seiner 11. Ausgabe hat das grösste Kurzfilmfestival der Schweiz buchstäblich ein Zuhause auf der ganzen Welt gefunden: In diesem Jahr können die Fans und solche, die es werden wollen, vom 2. bis 6. Oktober vor Leinwänden in Bern, New York, Buenos Aires, Bangkok, Kairo, Kapstadt, Kyoto und San Jose Platz nehmen. Wo im letzten Jahr noch Köln und Wien beteiligt waren, ist Bern seit diesem Jahr der einzige deutschsprachige Austragungsort und die Liste der Kontinente fast vollständig. Ambitioniert ergeben hat sich diese Verstreuung sowohl mit Hilfe von Anfragen der Organisatoren an andere Städte – Beziehungen waren dabei nicht ganz unwichtig – als auch durch Anfragen an «shnit» wie beispielsweise aus Kapstadt.
Doch nicht nur eine passive Teilnahme am Festival scheint sich zu lohnen: Insgesamt 100’000 Schweizer Franken Preisgeld gibt es innerhalb der verschiedenen Kategorien des Internationalen Wettbewerbs zu gewinnen und sich von etwa 25’000 erwarteten Besuchern in Bern und etwa 45’000 weltweit Aufmerksamkeit und Applaus abzuholen. Die Konkurrenz bestand in diesem Jahr allerdings aus 6’729 Filmeinreichungen aus 141 Ländern.
In Bern als nach wie vor grösstem Playground werden die rund 200 ausgewählten Kurzfilme an insgesamt sieben Spielstätten des Berner Stadtzentrums vorgeführt: Die Heiliggeistkirche, die Französische Kirche, das Theater am Käfigturm, der Progr und das Kornhausforum werden zum Kino umfunktioniert, das Kino City stellt seine eigenen Leinwände und Sessel während der fünf Spieltage zur Verfügung und das Lichtspiel als Filmarchiv sogar noch seine eigenen Filme. Daneben bietet der Innenhof des Progr als Festivalzentrum verschiedene Gastronomiestände und Sitzgelegenheiten als erweitertes Vergnügungsangebot für das Publikum und Neugierige an.
Die Kernstücke des Festivals bilden zwei Wettbewerbe: «shnit OPEN» und «Swiss Made». Shnit OPEN zeichnet international den jeweils besten Film in fünf Kategorien aus. Dies geschieht erstens durch eine Jury, die ihre Preise für die besten Filme von 10, 20 und 40 Minuten Länge vergibt, zweitens durch das Festival-Publikum, das über seinen Lieblingsfilm abstimmt, und drittens durch die künstlerische Leitung, die es dem Publikum gleich tut. Im Rahmen des Schweizer Wettbewerbs wird es zwei Gewinner geben, einer wird durch das Publikum gewählt, der andere durch eine weitere Jury, die Fachjury. Die internationale Jury besteht aus sechs Mitgliedern und einem Jurypräsidenten, sie wird jährlich auf der Grundlage von Vorschlägen der einzelnen Teilnahmeländer zusammengesetzt. Genauso wie die internationale Jury beteiligt sich auch die Schweizer Jury ehrenamtlich. Sie besteht aus drei «Experten», Menschen aus dem filmnahen Bereich, und wird sowohl ausgewählt, um einen aktuellen Einblick in das Schweizer Filmschaffen zu bekommen, als auch, um ihr fachmännisches Urteil abzugeben. Über den Themenschwerpunkt, der in diesem Jahr «More than Fiction» heisst, entscheidet die künstlerische Leitung zusammen mit der Programmorganisation anhand von persönlichen Interessensgebieten und Aktualität, anhand von Gefühlen und Eindrücken, die sie begleiten.
Was als zweitägiger Filmeabend in der Reitschule begann, erwartet nun etwas über 200 freiwillige Helferinnen und Helfer, die in den Wochen vor Festivalbeginn mit Hilfe von Aushängen in der ganzen Stadt gesucht wurden. Das mag nach viel klingen, scheint jedoch angesichts des Umfangs des Festivals und der Tatsache, dass nur knapp 40 Personen – neun davon als Angestellte – fest in das Festival involviert sind, nicht übertrieben.
Neben der Eröffnungsfeier in der Heiliggeistkirche und dem Abschlussfest in der Französischen Kirche, bei dem auch die SiegerInnen des Schweizer Wettbewerbs geehrt werden (die Preisverleihung des Internationalen Wettbewerbes findet erst am 13. Oktober in New York statt), werden noch zahlreiche weitere Aktivitäten angeboten, die einen Ausgleich zur Leinwand bieten – Gelegenheiten zum Tanzen, die Teilnahme an einem «Battle» zwischen FilmemacherInnen und Publikum oder Workshops sind in den Preisen für die Festivalpässe und die jeweiligen Tageskarten enthalten, Einzeltickets für alle Filmblöcke und Veranstaltungen wird es ebenfalls zu kaufen geben.
Videostill: Nashorn im Galopp / zVg.
ensuite, Oktober 2013