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Showtime – It’s the final countdown (2011)

Von Fabi­enne Naegeli – «Let’s apoc­a­lypse now, my friend»: Geschehen Katas­tro­phen wie der 11. Sep­tem­ber oder Fukushi­ma, geis­tern apoka­lyp­tis­che Szenar­ien durch die Medi­en und die Poli­tik. In ein­er religiös aufge­lade­nen Sprache und mit Hil­fe ein­er Angst erzeu­gen­den Wel­tun­ter­gangsmetaphorik ver­suchen die ver­schieden­sten, gegen­sät­zlichen Parteien ihre Ziele zu erre­ichen sowie Ereignisse und kriegerisches Han­deln zu legit­imieren. Alles wird in ein sim­ples, rhetorisch äusserst effizientes Gut/Böse – respek­tive Fre­und/Feind-Muster eingeteilt, und die all­wis­senden Poli­tik­erIn­nen, Man­ag­er-Innen und son­sti­gen Gottgle­ichen predi­gen für und gegen wen man zu kämpfen hat und wer die richti­gen und die falschen sind. Nicht mehr die tat­säch­lichen Fak­ten sind auss­chlaggebend, son­dern man kann behaupten, was man will, und sich die Dinge so zurechtle­gen, wie man sie gerne haben möchte. Von vie­len wird das Schein­hafte und Insze­nierte dieser neg­a­tiv­en Bilder als Real betra­chtet. Im Stück Labor Basel, den «Werk­statt­ta­gen Schweiz­er Dra­matik» am The­ater Basel, hat San­dra For­rer im 2008 das Dra­ma «Let’s apoc­a­lypse now, my friend» geschrieben, das diese Mech­a­nis­men der Panikmache reflek­tiert, und das Spiel mit den Unheilsverkündi­gun­gen analysiert. Welche Auswirkun­gen hat diese glob­ale Verun­sicherung? Wie reagieren die Men­schen auf solche Bedro­hun­gen und welche Strate­gien entwick­eln sie, um in ihrem täglichen Han­deln damit umzuge­hen? Um das spielerisch Gemachte der medi­alen Insze­nierung her­auszustellen, bedi­ent sich die Autorin der mod­er­nen Showkul­tur, und lässt ihre Fig­uren als bekan­nte Politik‑, Wirtschafts- und Werbe-Zitat­träger auftreten. Bob, der Show­mas­ter und Guru-ähn­liche Sek­ten­führer, hat ein Endzeit-Über­leben­shand­buch geschrieben. Er hat alles im Griff, behauptet er jeden­falls. Seine vier gelade­nen Kan­di­datin­nen und Kan­di­dat­en wollen sich in sein­er TV-Show beweisen, dass sie auf das bevorste­hende Ende per­fekt vor­bere­it­et sind. Da ist beispiel­sweise Katrin, die zwang­haft alles dur­chor­gan­isiert, Even­tu­al­itäten abcheckt und in jed­er Hand­tasche eine die Apoka­lypse aus­lösende Bombe erwartet. Ihr grösster Alb­traum wäre es, wenn die Men­schen plöt­zlich zu mutieren begin­nen wür­den. Des Weit­eren nimmt an Bobs Show das sym­bi­o­tis­che, in der Liebe Halt suchende Paar Moni­ka und Patrick teil. Er betra­chtet die dro­hende Endzeit als seine grosse Her­aus­forderung, und eifert einem roman­tis­chen Helden­bild nach. Am lieb­sten würde er gegen apoka­lyp­tis­che Tiere und Mon­ster kämpfen. Sie hinge­gen ist vol­lkom­men hand­lung­sun­fähig, wie gelähmt, und fürchtet eine mögliche atom­are Katas­tro­phe. Der vierte Kan­di­dat im Kampf um das Ende ist der Intellek­tuelle Markus. Für ihn ist the­o­retisch, auf ein­er Metaebene, alles logisch und klar. Er hat sich mit der Sit­u­a­tion abge­fun­den und freut sich, bei diesem aller­let­zten Moment dabei zu sein. Zum Ver­druss des Strip­pen­ziehers Bob stellt er zu viele Fra­gen, reflek­tiert alles, so dass er von diesem beina­he dis­qual­i­fiziert wird. Im Wet­tbe­werb um das ersehnte Finale müssen die Kan­di­dat­en Auf­gaben lösen, was jedoch nicht immer in geord­neten Bah­nen läuft. Ver­meintlich geht Bob plöt­zlich ver­loren, was zu einem Chaos unter den Show-Teil­nehmenden führt. Glück­licher­weise wollte der när­rische Mod­er­a­tor aber nur seine Kan­di­dat­en testen. Wer hat wohl die für den Ern­st­fall beste Über­lebensstrate­gie und gewin­nt am Ende das Spiel? Oder muss Bob die Kan­di­dat­en vor der her­auf­beschwore­nen Apoka­lypse ret­ten? Das 2004 gegrün­dete The­ater-Team Heiniger/Forrer will mit sein­er tem­por­e­ichen Komödie «Let’s apoc­a­lypse now, my friend» die düsteren Wel­tun­ter­gang­sprophezeiun­gen ad absur­dum führen, und den ver­führerischen Angst­bildern das Pos­i­tive des Lebens ent­ge­gen­hal­ten.

Fotos: Kas­par Buch­er
ensuite, Mai 2011