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Sich selbst wiedergefunden

Von Luca D’A­lessan­dro — Kein Krautrock, kein Büch­sen­ge­polter – pur­er, rauchiger Latin-Rock, das ist die Début-CD «Escondién­dome de mi» des uruguayis­chen Musik­ers und Pro­duzen­ten Gabriel Rimoli. Wer ist der Mann? ensuite — kul­tur­magazin wollte es wis­sen und machte sich auf ins Tessin, wo Rimoli heute lebt.

ensuite — kul­tur­magazin: Gabriel Rimoli, «Escondién­dome de mi» – auf Deutsch «Ich ver­stecke mich vor mich selb­st» – titelt dein Début. Die Zuver­sicht scheint dir abhan­den gekom­men zu sein – so scheint es.

Gabriel Rimoli: Ich habe lange nach einem tre­f­fend­en Namen für mein Erstlingswerk gesucht. Am Ende habe ich mich für diesen Namen entsch­ieden, da er die Sit­u­a­tion, die ich 2003 während der Erstel­lung der ersten Lieder und der ersten Melo­di­en erlebte, am tre­f­fend­sten beschreibt.

Was war damals?

Wir alle erleben immer wieder Momente, in denen wir uns vor uns selb­st ver­steck­en. Mal haben wir uns gern, mal nicht. In solchen Momenten macht es Sinn, innezuhal­ten, einen Stopp einzule­gen, um zu ver­ste­hen, welche Wege noch offen ste­hen. Damals wusste ich nicht, in welche Rich­tung ich mich bewe­gen sollte. Plöt­zlich stand ich vor mehreren offe­nen Türen: Ich suchte mir eine aus, ging durch sie mit neuem Elan und Enthu­si­as­mus – heute ste­he ich da, und es geht mir gut.

Diese Ansicht spiegelt sich auch auf dein­er CD wieder: Die Titel auf den ersten Posi­tio­nen sind eher neg­a­tiv gefärbt, wie zum Beispiel «Tu cuer­po no miente» (Dein Kör­p­er lügt nicht). Ab der CD-Mitte wer­den sie zunehmend pos­i­tiv, beson­ders «Dame tu amor» (Gib mir deine Liebe) oder «Francesca».

Die CD ist in ihrem Auf­bau einem Tage­buch sehr ähn­lich: Sie ver­ar­beit­et all das, was ich auf dem von mir eingeschla­ge­nen Weg erlebt habe.

Wer ist eigentlich «Francesca»?

Francesca ist mein Lebenselix­i­er, die Freude und die Inspi­ra­tion, die ich für die Arbeit als Musik­er benötige. Sie kam urplöt­zlich in mein Leben und hat es im pos­i­tiv­en Sinne umgekrem­pelt. Und sie hat die Essenz zur CD beiges­teuert: Die Liebe. Das Album spricht von der Liebe, so wie ich sie durch Francesca erleben durfte, mit all ihren Wogen und Wellen.

Apro­pos Wellen: Die Pro­duk­tion hat irgend­wo zwis­chen Uruguay, den Vere­inigten Staat­en, Ital­ien und der Schweiz stattge­fun­den. De fac­to über dem Atlantik.

Bildlich haben sich die Auf­nah­men so zuge­tra­gen. Die Lieder habe ich in der Schweiz kom­poniert. Die Musik­er jedoch spiel­ten ihre Pas­sagen in den Stu­dios in ihrem jew­eili­gen Land ein und schick­ten mir die Vorschläge in die Schweiz. Meist in Form eines herkömm­lichen Audiofiles. Ich nahm sie ent­ge­gen, hörte mir die Sam­ples an, vali­dierte und schick­te sie weit­er an Cesar Lam­schtein, meinen Pro­duzen­ten in Uruguay. Der Koor­di­na­tion­saufwand war riesig: Von der Idee über die Auf­nah­men bis hin zur Abmis­chung. Ein ständi­ges Hin und Her. Die neuen Medi­en machen es möglich, man braucht nicht zwin­gend vor Ort zu sein.

Aber wenn du auf die Bühne willst, brauchst du doch eine Band.

Ja, das stimmt. Allerd­ings ist es im Moment nicht mein ober­stes Ziel, auf ein­er Bühne zu ste­hen. Ich füh­le mich wohl in der Rolle als Stu­diomusik­er. Sie bietet mir die Möglichkeit, neue Rhyth­mus- und Klang­wel­ten zu erkun­den. An eine Live-For­ma­tion kann ich im Moment nicht denken, zumal der Bassist Popo Romano, der Ban­do­neon­ist Nico­las Mora und der Schlagzeuger Marce­lo Bossio in Uruguay leben, während der zweite Schlagzeuger Mas­si­mo Ielmi­ni und der Gitar­rist Daniele Epi­fani in der Schweiz und in Nordi­tal­ien zu Hause sind.

Ken­nen sich die Musik­er untere­inan­der?

Effek­tiv haben sie sich noch nie getrof­fen, jed­er von ihnen arbeit­et an seinen Pro­jek­ten. Ich fände es aber schön, wenn wir eines Tages alle zusam­men auf ein­er Bühne ste­hen kön­nten, egal ob in Europa oder in Südameri­ka.

Du hast soeben das Ban­do­neon erwäh­nt: Dieses ist nicht ger­ade das passend­ste Instru­ment für eine Latin geprägte Pop-Rock-For­ma­tion.

Es passt hinge­gen sehr gut, insofern es die Essenz jen­er Musik wiedergibt, die ich von klein auf mit­bekom­men habe. Mir war es ein Anliegen, in den Liedern sowohl Ele­mente des alt­be­währten, britisch ange­haucht­en Rock mit der Musik mein­er Herkun­ft zu vere­inen.

Wieso mit dem britis­chen Rock?

Schon als Junge mochte ich diese Musik. Die Rauheit und die Kraft, die sich dahin­ter ver­birgt, entspricht mir sehr.

Wie würdest du dem­nach deinen Musik­stil betiteln?

Eine Fusion aus Rock mit typ­is­chen Rhyth­men des Rio de la Pla­ta. Es sind dies der Tan­go, die Mur­ga und der Can­dombe, let­zter­er der klas­sis­chste aller uruguayis­chen Rhyth­men. Heute wird der Can­dombe als folk­loris­tis­che Tanzbe­we­gungs­form der schwarzen Bevölkerung in Buenos Aires und Mon­te­v­ideo ver­standen. In Uruguay, speziell in Mon­te­v­ideo, wird der Stil auf Plätzen und Strassen mit Trom­melschlä­gen zele­bri­ert und gelebt. Er gehört zum All­t­ag, ähn­lich wie der Sam­ba zu Brasilien.

Wie gestal­tet sich dein All­t­ag seit der Lancierung des Albums?

Eigentlich nicht anders als vorher. Einzig, dass in den kom­menden Wochen ein paar Pro­moan­lässe auf dem Pro­gramm ste­hen. Ich bin ges­pan­nt, wie das Echo sein wird. Es wird die Fort­set­zung des Weges sein, den ich vor fünf Jahren eingeschla­gen habe und nun bege­he.

Geografisch hast du den Weg in die Schweiz gefun­den. Ursprünglich stammst du aus Uruguay.

Meine Urgrossel­tern sind aus Ital­ien nach Uruguay aus­ge­wan­dert und haben sich da niederge­lassen. Deshalb trage ich heute noch einen ital­ienis­chen Namen. Ich habe die Kul­tur und das Leben als Uruguay­er wahrgenom­men und in mich aufge­so­gen. Trotz­dem füh­le ich mich zu Europa hinge­zo­gen, weshalb ich heute in der Schweiz, respek­tive im Tessin lebe. Hier füh­le ich mich wohl. Ich finde das wieder, was ich in Uruguay stets erfahren durfte: Spon­taneität, Wärme und die Frei­heit, das zu tun, was ich schon immer machen wollte: Mich der Musik wid­men.

Info: https://mx3.ch/gabrielrimoli

Foto: zVg.
ensuite, Sep­tem­ber 2009

Artikel online veröffentlicht: 6. September 2018