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Skandinavindien in Bern

Von Luca D’Alessandro — Die Rolle des Perkus­sion­is­ten in einem Ensem­ble kann frus­tri­erend sein. Obwohl dieser das Tem­po, den Puls und dadurch die Grund­lage für alle Arrange­ments bildet, ist ihm häu­fig nicht mehr als der Platz in der zweit­en Rei­he vergön­nt. Ganz vorne ste­hen die Solis­ten, welche die Lor­beeren ern­ten. Diese unaus­ge­sproch­ene aber dur­chaus gängige Regel haben in der Ver­gan­gen­heit nur wenige Perkus­sion­is­ten zu durch­brechen ver­mocht. Im Bere­ich des Latin Jazz kon­nten sich etwa Fran­cis­co Agua­bel­la, Tito Puente, Ray Bar­ret­to und Luisi­to Quin­tero behaupten. Namen, die bere­its heute Teil der Musikgeschichte sind. Wer denkt beim Begriff Sal­sa nicht intu­itiv an Tito Puente?

Ausser­halb des Latin Gen­res sind solche Perkus­sions-Koryphäen noch sel­tener. Umso mehr hat der Auftritt des indis­chen Tabla Meis­ters Trilok Gur­tu vom kom­menden 2. und 3. Dezem­ber in Bern und Neuen­burg schon fast etwas Ein­ma­liges. Gemein­sam mit dem skan­di­navis­chen Sax­o­phon­is­ten Jan Gar­barek ver­mit­telt er einen Ein­druck davon, was möglich ist, wenn Ost auf West trifft, wenn sich tra­di­tionelle Rhyth­musstruk­turen aus Asien mit Har­monien aus unseren Bre­it­en­graden vere­inen. Mit seinem Perkus­sion­ssor­ti­ment, beste­hend aus Ras­seln, Klanghölz­ern, Gongs und Trom­meln kon­nte Gur­tu bere­its in seinen frühen Jahren ges­tandene Grössen aus der Jazz­welt für seine Exper­i­mente gewin­nen. Auf der Suche nach neuen Vari­anten der genre-über­greifend­en Zusam­me­nar­beit kam es zum Beispiel zur Koop­er­a­tion mit Joe Zaw­in­ul, Pat Methe­ny oder Neneh Cher­ry.

Heute lebt Gur­tu in sein­er Wahlheimat Ham­burg, von wo aus er seine Crossover-Visio­nen anpeilt. Gas­tauftritte auf Alben von John McLaugh­lin, Pharoah Sanders, Nitin Sawh­ney, Lalo Schifrin, Gilber­to Gil und Bill Laswell zeu­gen davon. 2011 kam es sog­ar zur Zusam­me­nar­beit mit dem ital­ienis­chen Rock’n’Roll Pio­nier und derzeit poli­tisch hochak­tiv­en Adri­ano Celen­tano.

Dank der Flex­i­bil­ität des Duos Gar­barek – Gur­tu eröff­nen sich uns Hör­ern bis­lang noch nicht da gewe­sene Klang­wel­ten. Die schein­bar unendlichen Kom­bi­na­tion­s­möglichkeit­en, welche die bei­den uns servieren, tra­gen wesentlich dazu bei, dass sich Welt­musik immer mehr von ihrem exo­tis­chen und tra­di­tionellen Image ent­fer­nt. Sie bere­ich­ern unser Musikver­ständ­nis, indem sie die Gren­zen zeit­genös­sis­ch­er Gen­res um ein Vielfach­es aus­dehnen. Die Kom­bi­na­tion Gar­barek – Gur­tu ver­di­ent daher ein­deutig das ensuite-Güte­siegel.

Foto: zVg.
ensuite, Dezem­ber 2013

Artikel online veröffentlicht: 20. Juni 2019