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Spartacus – Trash und Tragik

Von Andreas Meier — Daran lässt sich nichts ändern: Spar­ta­cus wird ster­ben. Cras­sus’ Legio­nen wer­den ihn und seine Sklave­n­armee im Jahr 71 v. Chr. nie­der­ma­chen. Dem bish­eri­gen Ver­lauf der Serie «Spar­ta­cus» (2010) nach zu schliessen wird es wohl ein ausseror­dentlich blutiger Tod. Es ist ein inter­es­san­ter Entscheid, die Geschichte des Glad­i­a­toren Spar­ta­cus aus­gerech­net in Form ein­er Serie neu zu erzählen. Sein Tod und das blutige Ende seines Auf­s­tands ste­hen fest. In einem Film wäre das ganz und gar unprob­lema­tisch, doch wie soll man mit Spar­ta­cus in ein­er Serie Stun­den um Stun­den mit­fiebern, wenn all seine Vorhaben von vorn­here­in zum Scheit­ern verurteilt sind? «Spar­ta­cus» ist somit eine der weni­gen Serien, die sich von Beginn an als Tragödie präsen­tiert. Und wie bei Shake­spear­es Tragö­di­en wird kaum jemand mit dem Leben davonkom­men.

Doch, um das Pferd nicht von hin­ten aufzuzäu­men: Spar­ta­cus (in der ersten Staffel der lei­der ver­stor­bene Andy Whit­field, danach Liam McIn­tyre), thrakisch­er Krieger, bereut sein Bünd­nis mit dem römis­chen Lega­tus Glaber, als dieser die Thrak­er ver­rät und ihre Heimat nicht wie ver­sprochen vertei­digt. Spar­ta­cus lehnt sich gegen Glabers Befehle auf, um seine Frau Sura zu beschützen. Getrieben von ver­let­ztem Stolz jagt Glaber Spar­ta­cus und seine Frau und ver­sklavt sie. Spar­ta­cus lan­det in Capua, in der Glad­i­a­toren­schule des machthun­gri­gen Batia­tus. Um den stör­rischen Neul­ing zu zäh­men ver­spricht ihm Batia­tus, seine Frau aufzus­püren – unter der Bedin­gung, dass Spar­ta­cus seinen neuen Meis­ter anerken­nt.

Natür­lich weiss der Zuschauer, dass das in ein­er Katas­tro­phe enden wird, und wartet ges­pan­nt auf den Sklave­nauf­s­tand. Das ist es dann auch, was «Spar­ta­cus» inter­es­sant macht: weniger die Frage: «Wie endet es?», als eher: «Wie kommt es zum Ende?» – Die groben his­torischen Eckpfeil­er sind geset­zt, doch «Spar­ta­cus» stürzt sich auf die Lück­en in den dürfti­gen Quellen und fab­u­liert wild. Diese Leer­stellen wer­den aus­ge­füllt mit hin­terlisti­gen Intri­gen, Litern und Litern von in Zeitlupe spritzen­dem Blut, und dekaden­ten Orgien.

Wenn sich das in eini­gen Ohren etwas trashig anhört, so hat das dur­chaus seine Berech­ti­gung. Wie in «300» (2006) liegt der visuelle Fokus oft auf stil­isiert­er Gewalt und nack­ter Haut, sowohl inner­halb als auch ausser­halb des Kampfs. Die Zeitlupe wird etwas zu oft bemüht, die Gewalt ist überze­ich­net, die his­torische Darstel­lung häu­fig lach­haft, und die Dialoge anfäl­lig für pom­pös­es Machogehabe. All das trifft auch auf «300» zu, mit einem grossen Unter­schied: «Spar­ta­cus» scheint sich sein­er manch­mal trashigen Natur vol­lauf bewusst zu sein, umarmt und zele­bri­ert sie mit Stolz, während sich «300» darüber in seliger Unwis­senheit befand.

Kri­tik­er haben den Plot von «Spar­ta­cus» als sim­pel beze­ich­net. ‚Sim­pel‘ kön­nte man allen­falls die Moti­va­tion der Charak­tere nen­nen; jede bedeu­tende Fig­ur scheint in einem bes­timmten Augen­blick genau eine treibende Ambi­tion zu haben, für deren Erfül­lung er (oder häu­fig auch sie) über Leichen geht. Batia­tus mordet sich zu Reich­tum und Macht, Spar­ta­cus will seine Frau zurück, Glabers Frau Illythia will Spar­ta­cus für die Demü­ti­gung ihres Mannes tot sehen, etc. Macht, Liebe und Rache; es sind diese äusserst grundle­gen­den Triebe, welche die Vertreter der antiken Völk­er mit ihrer man­gel­nden Impul­skon­trolle in den Unter­gang treiben. Die Moti­va­tio­nen sind ein­fach, die meis­ten Charak­tere leg­en ihre Karten auf den Tisch (zumin­d­est vor den Augen des Zuschauers), doch das Zusam­men­spiel dieser unvere­in­baren Wün­sche ist alles andere als sim­pel. Aus dem kom­plex­en Netz von teils äusserst zwiespälti­gen Beziehun­gen zwis­chen Charak­teren und ihren Zie­len ergibt sich ein far­ben­prächtiger Tep­pich aus uner­füll­ten, ent­täuscht­en oder zum Greifen nahen Hoff­nun­gen, dessen Muster nicht ganz ein­fach zu durch­schauen sind. Die ver­schiede­nen nar­ra­tiv­en Stränge sind straff ges­pan­nt und stützen sich gegen­seit­ig in ein­er ele­gan­ten und ökonomis­chen Erzählweise. Obwohl das Ende abse­hbar ist, leuchtet fast jede Folge mit einem Poten­tial, das es schwierig macht zu errat­en, was als Näch­stes geschehen wird.

Gewalt und Sex mögen visuell dominieren, doch sind sie häu­fig nur ein stützen­der Rah­men für eine aus­gek­lügelte Geschichte mit glaub­haften Charak­teren, die in ihrer örtlichen Beschränkung auf die Glad­i­a­toren­schule fast wie ein Kam­mer­spiel anmuten kann. Hin­ter der Machofas­sade kommt eine Serie zum Vorschein, die, anders als «300», keine Angst vor leisen Emo­tio­nen hat, und auch jene latente Homo­pho­bie völ­lig hin­ter sich lässt, die man in ähn­lichen Pro­duk­ten oft antr­e­f­fen kann.

«Spar­ta­cus» (übri­gens pro­duziert von Sam Rai­mi und mit Xena-Darstel­lerin Lucy Law­less) gelingt ein geschick­ter Spa­gat zwis­chen augen­zwinkern­dem Trash und ser­iös­er Tragik, die sich nicht gegen­seit­ig aufheben oder ver­min­dern, son­dern ergänzen. Sie verkör­pert wie wohl kaum eine andere Serie die post­mod­erne Ver­weigerung, «hohe» und «niedere» Kul­tur voneinan­der abzu­gren­zen. So wird hier kon­se­quent wüstes, vul­gäres Gefluche in Shakespeare’sch anmu­ten­dem, pseu­do-archais­chem Englisch wiedergegeben, was eine reizende Span­nung erzeugt. Doch vielle­icht ist die Dis­tanz gar nicht so gross, wie man denken kön­nte. Schliesslich sparen auch Shake­spear­es Fig­uren nicht an Vul­gar­itäten und Grausamkeit­en, und ihm dreht man daraus ja auch keinen Strick.

Die 1. Staffel, «Spar­ta­cus: Blood and Sand», ist seit Juli auf DVD und Blu-Ray erhältlich.

Foto: zVg.
ensuite, Novem­ber 2012

Artikel online veröffentlicht: 29. April 2019