Von Lukas Vogelsang — Rolando Colla gräbt in diesem Film, der übrigens als offizielle Schweizer Oscar-Einreichung 2012 als «Bester ausländischer Film» teilnimmt, in unseren Kindheitserinnerungen. Die Geschichte spielt auf einem Campingplatz in der Maremma, in der Toskana. Zwei zerrüttete Familien, die eine kurz vor dem Auseinanderbrechen, bei der zweiten ist der Vater früh verstorben – was aber den Kindern nicht mitgeteilt wurde. Genug Sprengstoff, der sich im Zelt, auf nächster Nähe, immer wieder entzünden kann. Nic und Marie sind Sprösslinge dieser beiden Familien, und verarbeiten in ihrer Freizeit ihre Ängste und die Spannungen, welche sie durch die Erwachsenenwelt mitbekommen. Die Spiele miteinander sind schwierig, aber auch befreiend. Da ist Hass und Liebe nahe beieinander. Und bei den vorpupertierenden Kinder brennt das Leben.
Der Film berührt tatsächlich unsere eigenen Kindheitserinnerungen. Allerdings bleibt er dort auch hängen. Die Dramaturgie ist zu berechenbar, die Geschichte ist zu klischiert, die Gefühle konstruiert. Der Filmschnitt ist denn auch der grosse Dämpfer der Geschichte: Der Rhythmus ist träge. Ich kann die Lobeshymnen der anderen Kritiker nicht teilen – vielleicht, weil eben gerade die Erinnerungen an meine Kindheit noch wach genug sind, dass ich weiss, was man als 12 — 14-Jähriger erlebt. Zudem fand ich, dass sich in der «Erwachsenenwelt» zu viele Drama-Geschichten angesammelt haben. Da ist die Frau, die von ihrem gewalttätigen Mann nicht weg kann, da ist die Frau, die wegen dem verstorbenen Vater im Selbstmitleid erstickt, da ist der Mann, der mit seiner Unfähigkeit, mit seinem gebrochenen Stolz umzugehen, nicht klar kommt, da ist der «Freibeuter» auf dem Motorrad, der die Verführung spielt… und ein böser Bauer, der die Kinder immer von ihrem Versteck wegjagt. Die Spiele der Kinder wirken gehemmt, willentlich gebremst. Zwar ist das Thema gut, aber man muss sich dafür interessieren – unterhaltsam ist der Film nicht wirklich. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Schweiz mit diesem Beitrag bei der Oscar-Verleihung punkten kann.
Foto: zVg.
ensuite, November 2011