Von Sonja Wenger — Indischer Koch verliebt sich in Schweizer Kellnerin. Das klingt genauso vielversprechend wie problembeladen, ist aber vor allem eine tolle Gelegenheit für jede Menge absurder Szenen, die sich aus dem Zusammentreffen zweier unterschiedlicher Kulturen ergeben. «Tandoori Love» des Schweizer Regisseurs Oliver Paulus bedient sich dann auch ungeniert im Klischeekästchen, allerdings stets mit einem Augenzwinkern.
Wer sich schon mal auf einen der durchschnittlich drei Stunden dauernden Bollywoodfilme eingelassen hat, wird auch in «Tandoori Love» das Baukastensystem wiedererkennen: Liebe auf den ersten Blick, dann aber Drama mit viel Herz, Schmerz und Missverständnissen, natürlich Gesangs- und Tanzeinlagen vor visuell ansprechenden Kulissen sowie das obligate Happyend. Nur dass es diesmal umgekehrt erzählt wird: Die Schweiz bildet die Ausgangslage und Indien bietet die tolle Kulisse. Zumindest am Schluss.
Dazwischen liegen eineinhalb Stunden Filmstoff, der wie ein spannendes Rezept verschiedene Elemente gelungen kombiniert und dabei, wie es sich in der Schweiz gehört, selten die Bodenhaftung verliert. Oliver Paulus, der zusammen mit Stefan Hillebrand auch das Drehbuch geschrieben hat, erzählt in «Tandoori Love» von der Begegnung zwischen Rajah (Vijay Raaz) und Sonja (Lavinia Wilson), die kurz darauf die träge Beschaulichkeit eines Berner Dorfs durcheinander bringt.
Rajahs Kochzelt ist der ruhige Fels in der Brandung eines chaotischen indischen Filmdrehs in den Alpen mit egozentrischen Stars, einem konfusen Regisseur und einem mafiösen Produzenten. Ausgerechnet im Supermarkt begegnet Rajah dann Sonja. Sogleich fällt er vor ihr auf die Knie und besingt ihre Schönheit. Doch deswegen schmilzt das Herz der eher kühlen Sonja noch lange nicht. Sie hat anderes im Kopf. So die Inneneinrichtung des gerade gebauten Hauses ihres Verlobten Markus (Martin Schick), ihre verknöcherte zukünftige Schwiegermutter oder das Getatsche der Stammtischgäste.
Rajah muss also stärkeres Geschütz auffahren. Mit einem Tisch voller sinnlicher Gerichte will er Sonja erobern und wird statt dessen von Martin als neuer Küchenchef im verstaubten Gasthof Hirschen engagiert. Rajah, der nicht realisiert, dass die beiden verlobt sind, übt sich in Geduld, und auch bei Martin steht jemand ziemlich lange auf der Leitung. Dazwischen verzweifelt Sonja beinahe ob der Hartnäckigkeit beider Männer im Liebeswerben, und der indische Regisseur ob der Suche nach seinem verschwundenen Koch.
Paulus, nach eigenen Angaben «passionierter Koch und profunder Bollywood-Kenner» hat das erste Drittel der Geschichte mit einer erfrischenden Leichtigkeit umgesetzt. Liebe gehe durch den Magen, sagt er, und tatsächlich jubelt das Zuschauerherz über eine solch üppige und schnelle Inszenierung. Doch kaum sind die Charaktere eingeführt, ist auch schon die Luft raus. Der Rest des Films verharrt in Sonjas Unentschlossenheit bezüglich ihren Gefühlen und diversen Slapstick-Einlagen der Dorfbewohner, die allerdings eine überraschende Offenheit gegenüber anderen Kulturen an den Tag legen.
Dennoch ist «Tandoori Love» ein sympathischer und unterhaltsamer Film, der eigentlich nur an einer Sache wirklich krankt: Der visuell schlecht gemachten Synchronisation der Dialekt sprechenden Hauptrolle Sonja. In dem sonst solide gemachten Film ist dies ein veritabler Wermutstropfen — über den echte Bollywood-Fans allerdings leicht hinwegsehen werden, tolerieren sie doch gezwungener-massen ein enorm breit gefasstes Spektrum filmischer Qualität, solange nur die Mischung stimmt.
Foto: zVg.
ensuite, Januar 2009