Von Sonja Wenger — Her mit dem Popcorn und den Superlativen: «The Avengers» ist einer der besten Superheldenfilme der letzten Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte! Nun kann man natürlich sagen, sie haben sich dafür auch genug Zeit gelassen. Fast fünfzig Jahre, um genau zu sein. So lange dauerte es, bis es der gleichnamige Marvel-Comic auf die Leinwand schaffte.
Aber egal. Die Warterei hat sich gelohnt, denn «The Avengers» ist ein diebischer Actionspass, bei dem nicht nur Comicfans auf ihre Kosten kommen. Der Film ist über zweieinhalb Stunden beste Unterhaltung mit Witz und Drama, vertrauten Gesichtern, klassischen Bonmots, Wiedersehensfreude und tollen Effekten in 3D. Die perfekte Wahl für einen eskapistischen Kinoabend mit allem drum und dran. Und dies, obwohl im Film kaum etwas drin ist, was man in den letzten Jahren nicht schon mal gesehen hätte.
Die Geschichte: «Iron Man» und Co. müssen zuerst eigene Widerstände überwinden und retten danach die Welt vor bösen Ausserirdischen. Abspann. Da sich das Marvel-Universum aber noch nie mit komplexen Verstrickungen, raffinierten Dialogen, dramatischen Höhepunkten und aufwändigen Kampfsequenzen hat lumpen lassen, dauert es bis dahin durchaus eine kurzweilige Weile.
Und so wie in früheren Filmen aus den Marvel-Studios haben es sich auch die Macher von «The Avengers» nicht leicht gemacht. Immerhin hatten sie gleich mehrere Superhelden mit Superfähigkeiten oder Superkräften unter einen Hut zu bringen. Nun liegt es aber in der Natur der Sache, dass die meisten dieser Superegos Einzelgänger sind. Regisseur und Co-Drehbuchautor Joss Whedon musste also erst einmal eine Reihe ausgeprägter Alphatiere dazu bringen, sich zusammenzuraufen, denn wenn es gilt, die Menschheit vor der Vernichtung durch Ausserirdische oder anderem Unbill zu retten, braucht es quasi eine Neuversion der «Glorreichen Sieben».
Entsprechend nimmt dieser «Teamfindungs-prozess» über die Hälfte des Films ein. Aus der halben Welt – und dem halben Universum – treffen sich so: Iron Man (Robert Downey Jr.), mit neuem Anzug und noch charismatischeren Sprüchen; Captain America (Chris Evans), der hiermit in der Moderne angekommen ist; Hulk (mit neuem Darsteller Mark Ruffalo), der sich meistens ganz gut im Griff hat; der Hammer- und Blitzwerfer Thor (Chris Hemsworth); die Superspionin Black Widow (Scarlett Johansson); der Superschütze Hawkeye (Jeremy Renner) und natürlich S.H.I.E.L.D.-Direktor Nick Fury (Samuel L. Jackson), der die Bande zu bändigen versucht und der für einmal von Anfang an mit dabei ist.
Zusammen sind sie «The Avengers», die Rächer, welche die Menschen vor Thors verstossenem, grössenwahnsinnigen Bruder Loki (Thomas Hiddleston) retten sollen, den es unstillbar nach Rache dürstet und der sich zu diesem Zweck mit einer hässlichen ausserirdischen Armee verbündet hat, die hinter einer gigantischen Energiequelle her ist.
Der Titel ist dann auch Programm: So retten die Rächer nicht nur die Menschheit vor der Vernichtung. Sie «versprechen» durch ihren Widerstand auch allen zukünftigen Angreifern, dass sie die Welt rächen würden – also besser Pfoten weg. Natürlich ist das eine sinnlose Warnung, denn «The Avengers 2» ist bereits in Planung.
Bis es so weit ist, kann man jedoch jede Menge Popcorn mampfen und sich ungeniert an dieser Wucht von einem Film erfreuen, der raffiniert gemacht und durchdacht ist, und der trotz einem gewaltigen Déjà-Vu-Effekt mit frischem Wind und unverbrauchtem Witz daherkommt. Am Ende liegt, wie so oft im Marvel-Universum, New York in Trümmern. Doch die «Avengers» – und das Publikum – sind gerade mal warmgelaufen.
«The Avengers». USA 2012. Regie: Joss Whedon. Länge: 143 Minuten.
Foto: zVg.
ensuite, Mai 2012