The Broken Circle Breakdown

Von Son­ja Wenger — Der Film «The Bro­ken Cir­cle Break­down» begin­nt mit dem Ende. Dem Ende eines Lebens. Eines Kinder­lebens, um genau zu sein. May­belle ist sechs Jahre alt und hat Krebs. Ihre Eltern Elise und Didi­er erfahren es ger­ade, und der grausame Marathon der Chemother­a­pie und Stam­mzel­len­be­hand­lung begin­nt. Sie wer­den den Kampf gegen den Krebs schnell ver­lieren. Doch der Kampf um das Leben hat ger­ade erst begonnen.

Elise (Veer­le Baetens) besitzt ein Tat­too-Stu­dio und trägt ihre Lebens­geschichte auf dem Kör­p­er. Didi­er (Johan Helden­bergh) ist Ban­jo-Spiel­er in ein­er Blue­grass-Band, ein beken­nen­der Cow­boy, der auf einem Bauern­hof lebt. Bei­de sind sie in sich ruhende Freigeis­ter, bei­de ver­lieben sich im sel­ben Moment, in dem sie sich ken­nen­ler­nen. Dass Elise schwanger wird, ist ein Unfall, doch als May­belle geboren ist, scheint das Glück des Paares per­fekt. Doch der Tod des Kindes zer­stört jede Form von Har­monie. Und dass Elise und Didi­er sehr unter­schiedliche Auf­fas­sun­gen von Glauben und Trauer­be­wäl­ti­gung haben, set­zt die Beziehung ein­er schw­eren Probe aus.

«The Bro­ken Cir­cle Break­down» des flämis­chen Regis­seurs und Drehbuchau­tors Felix van Groenin­gen war 2012 ein Hit in Bel­gien, und erhielt unter anderem den Pub­likum­spreis bei der diesjähri­gen Berli­nale. Das Drehbuch basiert auf dem gle­ich­nami­gen The­ater­stück von 2009 von Johan Helden­bergh, dem Darsteller von Didi­er, und Mieke Dobbels. Nun war das Kino der let­zten Jahre nicht arm an guten Fil­men, die sich mit Krebs, Tod und Trauer auseinan­der­set­zten, doch «The Bro­ken Cir­cle Break­down» ist dabei eine Aus­nah­meer­schei­n­ung. Er hebt sich sig­nifikant ab in der Art und Weise, wie mit den grossen The­men Krankheit und Tod umge­gan­gen wird.

Das liegt zu grossen Teilen daran, dass van Groenin­gen die Film­sprache der ver­schobe­nen Zeit­ebe­nen vir­tu­os beherrscht und mit gross­er Leichtigkeit ein­set­zt. In «The Bro­ken Cir­cle Break­down» wer­den die in kle­in­ste Ein­heit­en zer­stück­el­ten Zeit­ele­mente meis­ter­haft neu zusam­menge­set­zt. Ein bril­lanter Schachzug. Denn wer je einen nah­este­hen­den Men­schen in Krankheit und Tod begleit­et hat, weiss, wie Zeit zer­fall­en kann und wie sie zu Flock­en wird, die heiss­er Asche gle­ich in der flir­ren­den Luft über einem Feuer tanzen; weiss, wie Angst, Hil­flosigkeit und Trauer einem das Herz zer­quetschen, den Atmen nehmen, die Sinne betäuben; weiss, dass sich zwis­chen all dem stets auch die Hoff­nung ihren Platz sucht; weiss, dass in der Liebe die einzige Erlö­sung für diese Schmerzen liegt.

«The Bro­ken Cir­cle Break­down» hat sich diesem emo­tionalen Kalei­doskop gestellt. Ent­standen ist daraus ein aussergewöhn­lich­er Film, mit ein­er erschüt­tern­den Authen­tiz­ität, beson­ders auch im Spiel von Nell Cat­trysse als May­belle, voller Respekt für seine Fig­uren und das The­ma. Der Film masst sich jedoch nicht an, ein Rezept für Trost im Meer der Trost­losigkeit zu bieten. Er kommt zudem gän­zlich ohne verk­lärende Poe­sie aus – der einzige Grund, weshalb dieser Film über­haupt aushalt­bar ist, liegt in sein­er Musik.

In den Liedern und Bal­laden des Blue­grass, ein­er der wichtig­sten Aus­prä­gun­gen der US-amerikanis­chen Volksmusik, wer­den alle Emo­tio­nen von Elise und Didi­er zwis­chen beschwingt und tragisch abge­bildet. Hier find­en bei­de eine gemein­same Sprache, find­et jedes Bild eine Kom­po­si­tion, jedes Gefühl ein Lied. «The Bro­ken Cir­cle Break­down» ist keine grosse Geschichte, beste­ht nur aus kleinen Episo­den, doch deren Gesamtheit ist eine Wucht, ist mehr als die reine Summe ihrer Ele­mente. Dieser Film über den Tod eines Kindes ist gross­es Kino, han­delt vom puren Leben, füllt die Augen mit Trä­nen und das Herz mit Liebe – und plöt­zlich, am Ende, kann man wieder Atmen.

«The Bro­ken Cir­cle», Bel­gien 2012. Regie: Felix van Groenin­gen. Länge: 116 Minuten. Seit dem 23. Mai in Deutschschweiz­er Kinos.

Foto: zVg.
ensuite, Juni/Juli 2013

Artikel online veröffentlicht: 2. September 2019