Von Andreas Meier — «The Conjuring» ist kein guter Film. Er repräsentiert alles, was in einem Horrorfilm falsch gemacht werden kann. Wie «The Cabin in the Woods» (2012) zerrt er jedes einzelne Horrorklischee vor die Kamera, doch im Gegensatz zu diesem kennt «The Conjuring» keine Ironie und sehr wenig Humor.
Im Grunde ein klassischer Geisterhausfilm, mischt «The Conjuring» jedoch noch weitere Horror-Subgenres samt dazugehörigen Klischees dazu: Hier findet man nicht nur das Geisterhaus, mehr quietschende Türen als man zählen kann, den verborgenen Keller mit düsterem Geheimnis und die mysteriöse Spieldose, sondern auch den Teufel und Dämonen, die mörderische Puppe, die Hexe, satanischen Ritualmord, den Fluch, das Medium, den Exorzisten, das Kind in Gefahr, den selbstaufopfernden Kämpfer gegen das Böse, und einen Hauch des Pseudodokumentarischen. Damit ist der Film nicht nur hoffnungslos derivativ, sondern auch so überladen, dass all der unnötige Ballast ihm schnell den Rücken bricht.
Der Plot muss hier kaum weiter erläutert werden, da ihn wohl jeder bereits in einem anderen Film gesehen hat, aber die Prämisse ist erwähnungswürdig weil auf einer «wahren» Geschichte basierend. Seine Protagonisten sind Ed und Lorraine Warren, ein Ehepaar selbsternannter Geisterjäger, die besonders in den 70er Jahren viel Aufmerksamkeit für ihre Fälle erhielten, unter anderem für den mehrfach verfilmten Schwindel des «Amityville Horror». Der Film ist eine Verarbeitung des Falles der Perron-Familie, deren Haus vom Geist einer lange verstorbenen Hexe, der Nachkommin einer in Salem verurteilten und hingerichteten Frau, heimgesucht worden sein soll.
«The Conjuring» ist ein viel zu sauberer Film. Gut und Böse sind fein säuberlich voneinander getrennt: Auf der einen Seite die selbstaufopfernden, zutiefst ehrlichen Warrens und die unschuldige Perron-Familie, auf der anderen Seite die Mächte des Teufels und der Hexe, welche die Familie zerstören wollen. Die Macher des Films verstehen offensichtlich nicht, dass der Horror des Horrorgenres nicht primär von der Gefahr oder dem Übernatürlichen herrührt, sondern von der unangenehmen Nähe und Herkunft des Bösen.
Die meisten Horrorklassiker, egal in welchem Subgenre, spielen mit der Spannung zwischen «Innen» und «Aussen» des Bösen, also stellt sich die Frage: Ist das Böse eine externe Kraft, oder stammt sie von innerhalb der eigenen Psyche, des eigenen Körpers, der Familie, etc.? Selbst in einem so simplen Film wie «Alien» (1979) von Ridley Scott ist dieses Spiel eindeutig vorhanden. Die unmittelbare Todesgefahr geht zwar vom Monster aus, doch im Verlauf des Films wird klar, dass der Urheber der gesamten Situation niemand anderes als die Weyland Corporation ist, der Arbeitgeber der Schiffscrew. In Guillermo del Toros «Pan’s Labyrinth» (2006) sind die Monster, die dem Mädchen Ofelia begegnen, nichts anderes als Veräusserlichungen ihrer inneren Ängste, die den Schrecken des Spanischen Bürgerkriegs wiederspiegeln. Das wahre Monster in diesem Film ist nicht eine der Fantasiegestalten, sondern Ofelias Stiefvater, ein sadistischer und mörderischer Faschist.
In beiden so verschiedenen Filmen wird die Herkunft des Bösen verkompliziert. Dies macht viele Horrorfilme erst richtig unangenehm und furchteinflössend, weil sich die Möglichkeit präsentiert, dass das Böse vielleicht nicht vor der Haustür, sondern im eigenen Haus lauert, dort womöglich sogar entstanden ist; sozusagen im eigenen Garten wächst. Das wiederum kann interessante Fragen der Verantwortlichkeit aufwerfen.
«The Conjuring» dagegen schiebt alles auf den Teufel und beantwortet damit die Frage, ohne sie gestellt zu haben. So verspielt er sich jede Chance auf echten Horror. Er ist nicht furchteinflössend, sondern allerhöchstens erschreckend; die einzige Spannung, die er aufbaut, ist die billigst-mögliche, nämlich die Erwartung, dass gleich etwas aus dem Schatten springt. Das ist handwerklich zwar solide gemacht, aber um jemanden zu erschrecken ist kaum Talent nötig.
«The Conjuring» ist zudem ideologisch fragwürdig. Er ist in seiner Weltsicht so konservativ wie in seinem Handwerk. Das Böse bedroht eine geordnete Welt und eine glückliche Familie. Am Ende ist jeglicher Konflikt aufgelöst, das Böse zurückgedrängt, das kleinbürgerliche Familienglück wiederhergestellt. Bemüht weicht er allen Fragen aus, die diese Sicht komplizieren könnten. Er zelebriert Leichtgläubigkeit und Obskurantismus und verlangt, dass man seine Geschichte als wahre Begebenheit akzeptiert, indem er sich immer wieder über Skeptiker lustig macht und die Geisterjäger als ehrliche Lebensretter inszeniert. Unsicherheit existiert hier nicht; am Ende gibt es keine offenen Fragen mehr, alles ist wegerklärt und einfach verdaulich. Er beschwört die alten Schreckgespenster von Hexerei und Satanismus, die sich noch in unsere Zeit, in recht geläufige aber völlig haltlose Fantasien von satanistischen Sekten und Ritualmorden erstrecken. In der Welt von «The Conjuring» ebenso wie für die realen, bibelfesten Warrens waren die Hexenprozesse von Salem, die zu über zwanzig Hinrichtungen führten, völlig begründet.
«The Conjuring» ist ein zahmes, zahnloses und kreativ bankrottes Recycling des Horrorgenres, und steht damit leider keineswegs allein. Zu viele Horrorfilme sind feige Dinger, die sich im Schatten des eigenen Genres verstecken wollen und sich nicht trauen, dem Zuschauer Angst einzujagen. Das Muster funktioniert: «The Conjuring» kommt bei Kritikern und Publikum gut an, und wir dürfen wohl bald mit mehr vom gleichen rechnen.
Foto: zVg.
ensuite, September 2013