Von Ruth Kofmel — Es bliebe zu beweisen, dass in Bern überdurchschnittlich viele gute Musiker unterwegs sind. Auffällig ist jedenfalls, dass Journalisten aus anderen Städten dieses Thema immer mal wieder aufgreifen und über die Berner Musikszene nachdenken. Ich würde ohne Umschweife dafür sprechen, dass in Bern sehr oft neue, hochkarätige Bands zu Stande kommen, die sich in allen Stilrichtungen finden lassen, wie zum Beispiel im Afro-Beat. «The Faranas» sind die ehemaligen Felas, die 2003 für ein einziges Konzert zusammengekommen sind. Es war dieser wahnsinnsheisse Sommer, und einer hatte die Idee, zu Ehren Fela Kutis ein Konzert zu geben – Afrika – in diesem Sommer lag das auf der Hand. Was nicht vorhersehbar war: das Konzert wurde eines der unvergesslichen und die zusammengewürfelte Gruppe traf sich immer mal wieder, um zusammen Gigs zu spielen. Anfangs fungierten sie als Cover-Band, die Stücke von Fela Kuti und anderen prominenten Vertretern des Afro-Beat spielte. Mit der Zeit wuchs der Wunsch nach eigenem Material, und da «The Faranas» aus einem Haufen ausgezeichneter Berner Musiker besteht, schrieben sie dieses auch gleich selbst. Jan Galega Brönnimann und Adrien Oggier, die beide seit den Anfängen dabei sind, erzählen, wie sie es fertig gebracht haben, trotz dem eher basisdemokratischen Grundprinzip ihrer Band, wo jeder und jede Eigenes einbringen kann, die Stücke für ihre erste Platte «Who are you» einzuspielen. Jeder Song hat zwar so etwas wie einen Erziehungsberechtigten, der sich schlussendlich dafür verantwortlich zeigt, wie das Endergebnis klingen soll, alles davor ist ein offener Prozess, wo sich die eingegebenen Ideen erst einmal vor der ganzen Gruppe behaupten müssen, um zu ihrem endgültigen Format heranzuwachsen. Sie staunen beide, dass es möglich ist, so viele verschiedene musikalische Hintergründe zu einem Ganzen zu verschmelzen. Grund dafür sei der gegenseitigen Respekt, und, dass man die eingebrachten Ideen zu Songs wachsen sehen will. Es habe natürlich auch damit zu tun, dass die gemeinsame Basis, der gemeinsame Nenner ein starkes Fundament biete: Afrikanische Musik sei jedem, der Jazz, Soul oder Funk spiele als Ursprung dieser Stilrichtungen vertraut.
Dass ein Grossteil der Musiker aus der Jazz-Ecke kommt, hört man selbstverständlich. Das kann man bemängeln; verglichen mit manchen Vertretern der Afro-Beat-Szene sind sie sehr präzise, klingen sie oft eher europäisch-amerikanisch als afrikanisch, das vor allem in manchen improvisierten Solis. Aber man kann das auch mögen, und die Ohren in dieser Präzision, in diesen bekannten Schemen entspannt öffnen, um sich, ohne befremdet zu sein, mit Klängen füttern zu lassen, die einem vielleicht sonst schwieriger zugänglich wären.
An der Plattentaufe liefern sie jedenfalls ein beeindruckendes Konzert ab, wo jeder Ton an der richtigen Stelle sitzt – der anspruchsvolle Jazz-Hörer ist genau so im Publikum vertreten, wie das eben aus Afrika zurückgekehrte Rastamädchen –und sie kommen alle auf ihre Kosten. Heimlicher Star der Combo ist eindeutig der Senegalese Mory Samb, wie man an den Publikumsreaktionen unschwer erkennen kann. Sein Vater, ein berühmter Griot-Sänger, hat ihm das Handwerk beigebracht, und ihm macht es nun offensichtlich eine enorme Freude, mit diesen neun Bernern seine Tradition neu zu interpretieren. Er sagt auch im Interview, dass es sein grösster Wunsch wäre, mit all diesen Leuten zusammenzuwohnen und den ganzen Tag Musik zu machen – man fragt sich, was da eigentlich dagegen spricht. Im Interview erzählt er davon, wie komplex die Senegalesische Musik sei und wie sie Einflüsse aus aller Welt in sich aufnehme. Er beschreibt, wie sein Vater vor dem Radio sass und gehörte Melodien in seine Lieder einfliessen liess. Dem Sohn eines Griot-Sängers muss man natürlich auch die Frage nach dem Inhalt seiner Lieder stellen. Die Griots sind die Hüter der oralen Geschichtsschreibung in West-Afrika, ein wichtiger Teil der Kultur und Identität, früher waren die Griots, so erzäht Mory Samb, die Einzigen, die überhaupt Musik spielen durften, das lässt erahnen, wie hoch der Stellenwert von Musikern in Afrika war und wohl bis heute noch ist. Wir drei Europäer sitzen jedenfalls auf unseren Stühlen und warten nun darauf, dass wir eine bündige und in sich geschlossene Zusammenfassung von einer Geschichte hören. Nach einer viertel Stunde ist Mory Samb in seiner Erzählung vielleicht zum dritten Mal beim Sohn des Bruders des Vaters vorbei gekommen, dessen Namen er kurzfrisitg auch vergessen hat, es gibt da irgend eine Vorhersage, die Geschichte schweift immer wieder zurück zu ihrem Anfang, um dann in eine völlig andere Richtung wegzumäandern, Krieg, Ahnenfolgen, Macht, Friede sind die Schlagworte und die Geschichte, so scheint mir, entsteht im Moment, ohne mir nachvollziehbare Struktur, aber es ist ganz klar, um was es geht, und ich denke: so ist wohl auch die Musik, sie dreht sich im Kreis, geht mal in die Richtung, dann in eine Andere, findet ein Ende, das der Anfang von der nächsten Episode ist und so weiter. Am liebsten würde ich die Band nach einer langen und intensiven Konzertserie noch einmal hören, wenn sich die jetzt noch klaren Strukturen wieder in offene, mäandernde Formen verändert haben, wenn sie durch das viele zusammen spielen vielleicht da angekommen sind, wo sich Mory Samb schon wünscht zu sein, wenn er davon spricht, nichts lieber zu wollen, als den ganzen Tag zusammen Musik zu machen.
The Faranas sind:
Rich Fonje vocals Mory Samb vocals, percussion Adrien Oggier trumpet, percussion, kalimba Daniel «Bean» Bohnenblust alto sax, sopran sax, clavinet Jan Galega Brönimann tenor sax, sopran sax Lisette Wyss bariton sax Bernhard Häberlin guitar Dominik Alig vibraphon, percussion Tonee Schiavano e‑bass Fabian Bürgi drums
Foto: zVg.
ensuite, Februar 2011