Von Sandro Wiedmer — Eine Bildanalyse wird zum Spielfilm: Aufgrund des Buches, welches Michael Francis Gibson über das Gemälde «Der Kreuzweg» oder «Die Kreuztragung» (1564) von Pieter Bruegel dem Älteren geschrieben hat, drehte der polnische Regisseur, Dichter und Schriftsteller, unter anderem auch Drehbuchautor von «Basquiat», Maler und Video-Künstler Lech Majewski den Film «The Mill and the Cross», in welchem Rutger Hauer als Bruegel seinem Mäzenen Nicolaes Jonghelinck (Michael York) Entstehung und Komposition der bildlichen Darstellung erklärt.
Für seine Schaffensperiode, die Renaissance untypisch, standen für Bruegel nicht Porträts, Stilleben oder religiöse Motive im Vordergrund seiner Malerei, das bäuerliche Leben seiner Umgebung, eingebettet in oft weiten, malerisch ausgearbeiteten Landschaften stand im Mittelpunkt seines Werkes. Gleichsam die Zeit im Stillstand festhaltend verstand er es, in seinen Gemälden unzählige Geschichten anzudeuten und zu erzählen, manchmal ironisierend, bisweilen ins Groteske übersteigert. So tummeln sich beispielsweise um die 500 Figuren in seinem Bild «Der Kreuzweg Christi», welches den Weg auf Golgatha nach Flandern verlegt, seine damals vom spanischen Thron okkupierte Heimat, in welcher die Inquisition mit gnadenloser Brutalität gegen die protestantische Bevölkerung vorging.
Mit der Vorstellung, aus seinem Buch «The Mill and the Cross – Pieter Bruegel’s Way to Calvary» einen Dokumentarfilm zu gestalten, überreichte Gibson den Band auch Lech Majewski, dessen «The Garden of Earthly Delights» er gesehen hatte, eine Umsetzung des Tryptichons von Hieronymus Bosch, einem grossen Vorbild Bruegels, in einen Spielfilm. Majewski war begeistert vom Buch, wollte jedoch, statt die Kamera mit einem Kommentar über das Gemälde fahren zu lassen, in Zusammenarbeit mit Gibson einzelne Schicksale der im Gemälde dargestellten Personen als Spielfim aufleben lassen: Mit dem Maler als Darsteller, welcher seinem Freund und Geldgeber seine Gedanken während der Komposition des Gemäldes darlegt, in welchem er Alltagsskizzen zu einem Kommentar zum unmittelbaren, bedrohlichen Zeitgeschehen verdichtet, sollen die Abläufe eines Tages der in seinem Werk in einem bestimmten Moment dargestellten Figuren in wortlosen, oft statischen, durchkomponierten Bildern zum Leben gebracht werden.
Das Resultat ist atemberaubend: Mittels Computer-Grafik wurden sämtliche Gestalten aus dem Gemälde entfernt, nur die Darstellung der Landschaft als Hintergrund übrig gelassen. Die Umgebung der im Realfilm agierenden Menschen geht nahtlos über in den gemalten Hintergrund, für die Erzählung geschaffene Innenräume zeigen durch geöffnete Türen und Fenster die mit dem Pinsel geschaffene Landschaft, den Himmel darüber. Die für das Gemälde zentrale, für die Analyse titelgebende Mühle wurde allein für den Film gezimmert. Konstruktionslinien und Fluchtpunkte, wie sie der Maler dem Publikum erklärt, werden reflektiert durch die Ansichten, die die künstlich geschaffene Welt gewährt. Durch die Montage, die zum Beispiel ein sich drehendes Mühlrad auf den sich drehenden Schleifstein treffen lässt, an dem die Soldaten ihre Schwerter schleifen, werden neue Konstruktionslinien, diejenigen des Films offenbar.
Foto: zVg.
ensuite, November 2011