Von Tatjana Rüegsegger - You got it babe! Endlich wieder richtiger Rock. Klar, England beschert uns jeden Tag neue Bands, doch irgendwann muss man einfach sagen: GENUG! Alles das Gleiche alles so lahm. Während sich England immer mehr in MADchester zurück verwandelt, holt Frankreich tief Luft und ein rockiger Wind bläst uns ins Gesicht. The Parisians kommen, wie man es hört, aus Frankreich und sie haben vieles zu sagen.
Nun, wie lautet das Motto der Parisians? Die Legende sagt, dass ihr euch nach einem Libertines Konzert zusammengetan habt.
Stevan: Weniger arbeiten um mehr zu trinken! (lacht) Eigentlich hatten sich die Libertines in Paris getroffen, um ihr erstes Album aufzunehmen und da hatten wir das Glück, sie und gleichzeitig uns kennenzulernen. Also die alte Besatzung. Das heisst Xavier und ich, der Rest kam später dazu.
Eure Musik ist sehr gitarrenlastig fast ein wenig «Back to the roots». Was denkt ihr von der heutigen Musikszene und ins besondere der heutigen Rockszene?
Clement: Ausser uns sind alle nur Schrott.
Stevan: Ähm, es werden zwei Interviews. Das Interview mit Clement tippst du bitte separat ab.
Xavier: Wenn du von der heutigen Rockszene sprichst, wen hast du da im Sinn? Tokyo Hotel? Oder was?
Nico: Ich glaube sie meint vor allem englischer und amerikanischer Indie Rock.
RS: Tokyo Hotel machen doch keinen Rock.
Stevan: Stimmt, es ist noch besser! Nein, also ich würde sagen die Szene ist interessant.
In Frankreich gibt’s ja jetzt diese Abwandlung von Rock die in Richtung Nu Rave geht. Yelle glaube ich, heisst diejenige, die das in Frankreich gestartet hat.
Xavier: Yelle soll Rock sein? In Frankreich haben sie eh keine Ahnung. Sie vermischen alles.
Was denkt ihr eigentlich vom Nu Rave?
Stevan: Es ist cool.
Clement: Es gibt Augenschmerzen.
Stevan: Ich finde es ist ok. Es ist einfach schade, wenn viele Bands solche Musik machen, damit sie im Trend sind. Das ist idiotisch denn der Trend vergeht wieder. Gleichzeitig kannst du nie wissen, welche Band solche Musik macht weil es gerade In ist und welche sie auch sonst machen würde. Ich denke es ist auch wichtig, dass man seinen Stil ändern kann. Rockmusik hat uns schon immer interessiert, darum machen wir sie auch. Wenn sie jetzt nicht gerade modisch wäre würden wir sie auch machen. Jetzt hatten wir einfach Glück, dass wir in dem Augenblick angefangen haben, wo man in Paris auf andere Bands wartete. Bands, die gleiche Attitüden haben wie englische Bands. Das war gerade perfekt. Dann kamen noch Myspace und all die Sachen. Die Jungen müssen nicht mehr CDs kaufen die viel zu teuer sind, sondern können schnell neue Bands kennen lernen. Jetzt weiss ich nicht ob sie englischen oder französischen Rock hören wollen, ich vermute sie mögen beides. Businessmässig funktioniert Französisch besser. Rock auf Englisch zieht in Frankreich noch nicht so, man versteht es nicht. Vielleicht wird sich jetzt so eine Basis formen für Bands die sich durchkämpfen und ihr Ding durchziehen ohne Major Label. Das wäre eigentlich noch interessant. Wir haben dann angefangen wo sich das langsam änderte. Im Ausland auf jeden Fall. In Frankreich können wir noch lange warten, bis man ohne Major Label klar kommen wird.
Eben, ihr singt ja auf Englisch. Wolltet ihr nicht lieber auf Französisch singen, um grössere Aufmerksamkeit auf euch zu ziehen? Oder schreibt das die Musik vor?
Stevan: Ich mag’s einfach nicht auf Französisch. Es interessiert mich nicht. In Amerika und England siehst du diese Bands, die Text und Musik auf dem gleichen Level stellen. Das ist für sie normal. Es ist einfach ein natürlicher Stil. Sobald du etwas auf Französisch singst, steht der Text vor der Musik. Wenn du ein Album aufnimmst wird die Stimme so stark nach vorne gemixt, dass die Melodie nur noch im Hintergrund ist und richtig uninteressant wirkt. Das alles nur damit man versteht was sie sagen. In England ist es ihnen vollkommen egal ob Leute den Text verstehen. Solange sie die Musik mögen. In Frankreich ist es sehr wichtig, was du singst, was du damit sagen willst. Das spürst du vor allem auf der Bühne. Ich könnte nie auf Französisch vor einem Publikum singen. Ich wäre einfach anders. Du verlierst viel Energie.
Xavier: Es ist halt auch poetischer, irgendwie.
Stevan: Naja, poetischer. Zum Teil kann es auch schnell billig wirken. So gezwungen poetisch. Es gibt Leute, die denken sie seien Poeten und schreiben Songs wie «Un jour en France» oder so. Irgendwo muss man aufhören können. Diese Seite «Wir werden die Welt retten» ist einfach ein bisschen zu viel.
Clement: Das werden wir auch tun.
Also euch ist sehr wichtig Indie zu sein. Obwohl Indie jetzt ziemlich kommerzialisiert wird. Was bedeutet das eigentlich genau für euch «Indie» sein?
Clement: Das heisst ganz einfach dass du keinen Swimmingpool hast.
Nico: Keine Minibar
Clement: Keinen Whirlpool, keine Prostituierten, kein Koks.
Stevan: Das ist der zweite Teil. Der Bonus.
Nico: Machen wir eine Bonus DVD daraus.
Stevan: Wie lautete die Frage nochmals?
Die Bedeutung von Indie…
Stevan: Hmmm…
Anfangs war es ja eine Philosophie. Jetzt mutiert es langsam zum Genre.
Stevan: Ich denke, wenn du sagst du bist Indie dann heisst das, du bist generell «Indie» weil du keine anderen Möglichkeiten hast. In Frankreich zumindest. Ich weiss nicht wie es in England und Amerika läuft, ob die da eine gewisse Wahl haben. Meiner Meinung nach würden wenige Bands bei einem kleinen Label bleiben wenn sie die Chance haben zu einem Major zu wechseln. Wir haben im Moment einfach keine andere Wahl. Gleichzeitig ist das auch interessanter. Du hast wenig Geld und du musst alles selber basteln.
Clement: Es ist viel persönlicher.
In dem Fall würdet ihr zu einem Major Label wechseln wenn ihr es könntet? Das Label Rough Trade war ja mal interessiert.
Stevan: Ja, das ist schon eine Weile her. Ein Freund hatte das im Sinn. Nur das Problem ist, wenn du in England unterschreibst musst du auch in England wohnen. Wir könnten nicht einfach so jede Woche nach England fliegen. Darum war es für uns nicht möglich. Dort hätte es wahrscheinlich eh nur geklappt, wenn wir jede Woche Konzerte gemacht hätten und die Leute an unsere Gigs kommen würden. Aber einfach so… es wäre ziemlich schwierig gewesen. Doch eigentlich ist es wichtig, in Frankreich so etwas zu starten. Etwas Neues in die Musikbranche zu bringen. Die Leute können dann sagen, sie hätten etwas Cooles gesehen, was nicht im Fernsehen zuvor angekündigt wurde.
Das heisst zurzeit tourt ihr nur?
Stevan: Wir haben einen Gitarristen kennen gelernt, der auch unsere erste Demo aufgenommen hat. Er hilft uns jetzt viel und wir werden bald mit ihm eine B‑Side aufnehmen, die wir zuerst nur auf Itunes und sonst im Internet veröffentlichen werden. Das wäre, um erstmals ein wenig Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen und damit sich die Leute genau anhören können was wir für Musik machen. Nachher sehen wir, wie sich das entwickeln wird. Die Sache ist die: nicht nur wir sind gerade in einer Entwicklungsphase sondern auch die Labels.
Gibt es irgendwelche Bands von denen ihr nicht versteht warum sie so viel Erfolg haben?
Clement: Verraten wir Namen?
Stevan: Das Publikum hört ein wenig alles im Durcheinander. Das ist normal.
Clement: Gleichzeitig fressen sie alles was ihnen von den grossen Plattenfirmen vorgegeben wird.
Stevan: Ja gut. Aber weisst du, manchmal gibt es Sachen, die du im Fernsehen siehst und denkst, es sei eigentlich ziemlich Scheisse und dann hörst du es zehnmal pro Tag im Radio und irgendwann magst du es einfach. Es fliesst in dein Gehirn hinein. So arbeiten sie. Das ist Marketing.
Xavier: In Frankreich sind die Leute nicht sehr neugierig. Wenn du ihnen was gibst, werfen sie sich drauf aber werden nicht nach anderen Bands suchen.
Stevan: Sehr viele Leute sind daran gewohnt. Für sie ist Musik das Fernsehen und das Radio. Ich denke nicht, dass es nur an den Leuten liegt, sondern eher an denen, die das Ganze führen. Wir sind einfach so daran gewohnt, alles serviert zu kriegen, dass wir gar nicht daran denken, es könnte noch was anderes geben. Zum Glück gibt es heute immer mehr junge Leute, die ein wenig interessierter sind. Auf Myspace und anderen Internetseiten kannst du dir eine Band anhören und wenn sie dir gefällt, dann siehst du welche anderen Musiker diese Band beeinflusst hat und lernst nochmals neue Bands kennen. Solche, die du dir früher nie angehört hättest. Die heutigen Jugendlichen sind dazu bereit, alles Mögliche zu hören.
Xavier: Sie werden neugieriger. Die werden auf aufkommende Bands wie uns stossen und sich daran interessieren, wen wir zum Beispiel in unserer Freundesliste haben und schon haben sie ein Dutzend weitere Bands kennengelernt.
Stevan: Gleichzeitig könnte das auch nur ein Trend sein. Leute die eigentlich Rockmusik gar nicht mögen werden sie sich anhören weil sie gerade in ist. Das gibt’s in allen Ländern. Bands die gerade erfolgreich sind weil sie trendig sind. Wenn man die richtige Zielgruppe erwischt, kann man sie dazu bringen, jegliche Sachen zu mögen… und… was wollte ich gerade sagen?
Xavier: Keine Ahnung. Ich hab dir nicht zugehört.
Aber die Indieszene wird in Frankreich immer grösser. Ich denke sie interessieren sich wirklich mehr dafür. Letztes Jahr kam ja das Album «Paris Calling» raus, wo unter anderen ihr, les Naast und Plasticine drauf spielen.
Stevan: Ja schon. Doch meiner Meinung nach gab es das echte «indie-movement» in Frankreich nur in den 80ern. Heutzutage ein kleines Label zu gründen ist fast unmöglich. Niemand hat die Zeit noch das Geld dafür. Es gibt immer weniger Leute, die genug Geld besitzen, und solche kleine Labels zu gründen interessiert niemanden weil sie wissen, dass es kein Geld einbringt.
Xavier: Und das mit Naast und Plasticine ist ziemlich einfach. Bei ihnen geht’s nur um den Trend. Du nimmst ein paar hübsche Kerle (les Naast) und ein paar hübsche Mädels (Plasticine) und schon hast du eine perfekte Kompilation.
Stevan: Ich unterscheide auch, wie man sich das denken kann, zwischen Bands die auf Französisch singen und solchen, die es nicht tun. Jene die es machen, haben sich sicher auch dabei gedacht, dass es einfacher sei um aufzufallen. Auf eine Art schneller vorwärts kommen. Ich weiss nicht, ob das ehrlich ist. Wieso sie das machen würden weiss ich nicht. Für mich scheint es nicht eine richtige Lösung zu sein. Man will es sich so einfacher machen. Sie denken, dass es Jahre dauern wird bis sie erkannt werden wenn sie auf Englisch singen, also singen sie auf Französisch. Die Typen wollen eine Band gründen und direkt das Olypmia füllen ohne die kleinen Konzerte. Sie haben es lieber, wenn man in Magazinen über sie schreibt und ihr Clip auf MTV läuft. Sie haben eine Rockstar-Attitüde wenn sie Leute treffen. Das ist normal, in Frankreich gab es nie eine echte Rockszene. Sie wissen nicht, was es heisst, zwei Jahre lang einfach nur zu touren bis man dich irgendwo mal auf deine Musik anspricht. Das ist schade. Aber eben, mit ein bisschen Glück wird sich das bald ändern. Und so oder so, die wichtigsten Bands sind jene, die nie Erfolg hatten!
Bild: zVg.
ensuite, Februar 2008