The Sapphires

Von Son­ja Wenger — Eine zehn Minuten lange Stand­ing Ova­tion erhielt der aus­tralis­che Musik­film «The Sap­phires» bei sein­er Welt­premiere an den Film­fest­spie­len in Cannes 2012. Ein Achtungser­folg bei einem son­st hart­ge­sot­te­nen Pub­likum, der vor allem der guten Laune geschuldet sein dürfte, die der Film bei jedem Men­schen aus­löst, der das Herz am recht­en Fleck hat.

«The Sap­phires» basiert auf dem gle­ich­nami­gen The­ater­stück des aus­tralis­chen Autors und Schaus­piel­ers Tony Brig­gs, der darin die reale Geschichte sein­er Mut­ter und sein­er Tante ver­ar­beit­et hat, die in den sechziger Jahren Teil der erfol­gre­ichen Soul­band The Sap­phires waren. Die Band set­zte sich zusam­men aus drei musik­tal­en­tierten Abo­rig­ines-Frauen (im Film sind es vier), die sich gegen eine über­wälti­gende Mauer aus alltäglichem Ras­sis­mus, Mis­sach­tung und Chau­vin­is­mus durchzuset­zen ver­standen. Sie wur­den 1968 unter anderem dadurch bekan­nt, dass sie vor den in Viet­nam sta­tion­ierten US-Trup­pen spiel­ten, während dort ger­ade der Krieg eskalierte.

Mit sicher­er Hand haben Regis­seur Wayne Blair und Autor Brig­gs in «The Sap­phires» ver­schieden­ste Ele­mente aus Dra­ma und Komödie in Kriegs- und Frieden­szeit­en, aus Feel-Good-Movie und Sozialkri­tik ver­woben. Beson­ders let­zteres ver­di­ent Beach­tung, da der Film auch die The­matik der soge­nan­nten «gestohle­nen Gen­er­a­tion» anspricht. So wer­den die Opfer jen­er Regierungspoli­tik beze­ich­net, bei der bis in die späten sechziger Jahre hell­häutige Abo­rig­ines-Kinder in mar­tialis­chen Aktio­nen ent­führt und zum Zwecke der «Assim­i­la­tion» in weis­sen Fam­i­lien unterge­bracht wor­den sind. Erst 2008 hat sich die aus­tralis­che Regierung zu ein­er offizielle Entschuldigung dafür durchgerun­gen.

Doch trotz sein­er ern­sten Töne will der Film in erster Lin­ie unter­hal­ten, und er tut dies per­fekt durch die mitreis­senden Musik der Sap­phires und die her­rlich erfrischende Liebesgeschichte zwis­chen ein­er der Sän­gerin­nen mit dem etwas durchgek­nall­ten Band­man­ag­er. Nun erfind­et «The Sap­phires» das Genre des Musik­films nicht neu, und einige Stim­men haben ihn auch schon als die aus­tralis­che Ver­sion von «Dream­girls» beze­ich­net. Doch wer sich darauf ein­lässt, wird – genau wie das Pub­likum in Cannes – hin­geris­sen sein.

Mit ein Grund dafür ist die Authen­tiz­ität der Schaus­pielerin­nen, die die vier Sän­gerin­nen Gail (Deb­o­rah Mail­man), Julie (Jes­si­ca Mauboy), Kay (Shari Sebbens) und Cyn­thia (Miran­da Tapsell) verkör­pern. Sie sind selb­st Abo­rig­ine-Frauen und wur­den in einem ungewöhn­lich lan­gen Cast­ing-Prozess aus­gewählt. Sie alle sind zudem als Sän­gerin­nen erfol­gre­ich, was den Film zu einem – im wahrsten Sinne des Wortes – echt­en Erleb­nis macht. Der irische Man­ag­er Dave Lovelace, der die Band aus der Prov­inz her­ausholt und das Ganze mit ein­er gehöri­gen Por­tion Charis­ma und Chuzpe zusam­men­hält, wird wiederum vom irischen Schaus­piel­er Chris O’Dowd gespielt. Und O’Dowd hat bere­its in sein­er boden­ständi­gen und char­man­ten Rolle als US-Sher­iff in «Bride­maids» bewiesen, dass er genau weiss, wo sich jen­er rechte Fleck befind­et, an dem die Herzen der Zuschauer liegen.

«The Sap­phires», Aus­tralien 2012. Regie: Wayne Blair. Länge: 103 Minuten. Ab dem 15. August 2013 in Deutschschweiz­er Kinos.

Foto: zVg.
ensuite, August 2013

Artikel online veröffentlicht: 5. August 2019