Von Morgane A. Ghilardi — Judd Apatow hat sich als Produzent, Drehbuchautor und Regisseur in Hollywood scheinbar eine klar definierte Nische geschaffen. Er ist der Meister der seichten, manchmal überraschend erwachsenen obwohl doch so infantilen Komödien, die sehr stark auf der amerikanischen Weltsicht auf Sex, Kiffen und Erwachsenwerden basieren. Zu seinen Geistesprodukten gehören Filme wie «40 Year Old Virgin», «Pineapple Express», «Get Him to the Greek», «Funny People» und «Bridesmaids». Er bedient sich bei neueren und älteren Riegen von Komikern, wobei er gewissen zum Comeback und anderen zum Durchbruch verhilft. Unter anderem haben ihm Will Ferrell, Steve Carell, Paul Rudd, Katherine Heigl, Seth Rogen, Melissa McCarthy und so manch anderes Sternchen in den letzten Jahren den Sprung von der relativen Obskurität oder TV-Prominenz in die Arme Hollywoods zu verdanken. Apatow hat in seinen Filmen – ähnlich wie Kevin Smith – sein eigenes Universum geschaffen, in dem gewisse Figuren und Gags immer wieder auftauchen.
Sein neuster Film handelt vom heutzutage fast mystischen Übergang von den Dreissigern in die Vierziger. «This is 40» (2012) soll zeigen: So ist das Leben mit 40, so beginnt die reale Angst vor dem Altwerden. Pete (Paul Rudd) und Debbie (Leslie Mann) – Figuren, die schon in «Knocked Up» (2007) vorgekommen sind – werden kurz nacheinander 40. Während Debbie die Sache unter den Teppich kehren und 39 bleiben will, ist für Pete eine grosse Feier geplant. Er hat es nämlich geschafft, seinen Traum vom eigenen erfolgreichen Musiklabel zu verwirklichen, oder so scheint es zumindest. In Wirklichkeit lässt der Erfolg auf sich warten, und auf einmal muss er Debbie verheimlichen, dass sie vielleicht ihr Haus verlieren. Was der Situation nicht hilft ist, dass Töchter Sadie und Charlotte zuhause für konstanten Radau sorgen, dass Debbie auf einmal dem Gesundheitswahn verfällt, oder dass Pete seinem Vater heimlich finanziell unter die Arme greifen muss. Die Situation spitzt sich zu, bis es zum Eklat kommt und ihre Ehe auf die Probe gestellt wird.
Der Film spricht eine Reihe von Problemen an, mit denen Eheleute oder Familien zu kämpfen haben. Nebst gesundheitlichen Lappalien, die sich mit 40 bemerkbar machen, können auch die schwierige wirtschaftlicher Lage oder das Facebook-Profil der Teenage-Tochter das Leben komplizierter machen, als es sein sollte. Doch schlussendlich muss man einen Sinn für Humor behalten und sich nicht von Ängsten vor dem Unvorhersehbaren kontrollieren lassen. Wer ab und zu kifft, genug Sex hat und offen kommuniziert, kann sich das Leben nur einfacher machen.
Während man dieses spezifische Genre von Komödie als eine Art groteske Annäherung an echte Sorgen sehen kann, und es ihm definitiv gelingt, zu amüsieren, wünscht man sich aber, dass die Konflikte nicht so konstruiert wirken. Denn real genug sind ja die Umstände, und sie beschränken sich auch nicht auf amerikanische Familien des oberen Mittelstandes. Aber beim Drehbuch scheinen Witzeleien und übertriebene Gags Vorrang gehabt zu haben, und dabei ist das Potenzial für mehr Tiefgang untergegangen.
Apatow scheint eigentlich dazu fähig zu sein, wie er als Produzent der neuen Kultserie «Girls» (2012) beweist. Die von der jungen Lena Dunham konzipierte und mehrheitlich geschriebene Serie wird teilweise als «Sex and the City» der Twitter-Generation gelobt. Obwohl der Fokus vor allem auf dem Leben von Frauen in ihren frühen Zwanzigern liegt, geht es auch in «Girls» im Grunde genommen um die Angst vor dem Rest des Lebens. Während sich 40-jährige scheinbar vor allem um das Bewahren von Stabilität und die nächste Prostatauntersuchung sorgen, dreht sich das Leben von Hannah (Lena Dunham), Marnie (Allison Williams), Jessa (Jemima Kirke) und Shoshana (Zosia Mamet) um Geschlechtskrankheiten, sexuelle Orientierung und finanzielles Überleben in New York. Ein gesundes Mass Realismus wird schon nur dadurch vermittelt, dass die Frauen in dieser Serie nicht knapp untergewichtig und durchgestylt sind, und dass sich die Serie ihrer geistigen Umwelt bewusst zu sein scheint. Es kommt einem so vor, als hätten echte Menschen diese Serie ins Leben gerufen. Zwar bedienen sich die Drehbücher manchmal auch einer Art Humor, die vor allem ein Gefühl der Peinlichkeit hervorruft, jedoch ohne beklemmend zu werden. Man hofft, dass Judd Apatow noch mehr Entdeckungen solcher Art macht.
Foto: zVg.
ensuite, März 2013