Von Pascal Mülchi — Ein untergehendes Segelschiff vor einer Insel, umgeben von liquider sich spiegelnder Masse. Im Hintergrund eine Art Himmel-Vorhang. Verkorkste Bäume, die keine Blätter mehr tragen. In die Höhe spriessendes Gras. Ein Steg. Häuser. Molekulare Formen als Türme, Wolken und Rauch. Grelle Lichtquellen.
«By the sea» heisst die bizarre Landschaft, die der junge kanadische Künstler Alex McLeod (25) geschaffen hat. Es ist eine von acht Landschaften, die Teil der Ausstellung «Imperial Lands» in der Rojo-Gallerie in Barcelona sind. Erstmals stellt der in Toronto arbeitende Künst-ler seine Arbeiten in Europa vor. Auf den ers-ten Blick erscheinen die Landschaften als real greifbare Miniatur-Welten, entstanden sind sie aber vollends mit 3D-Software am Computer. Erst der Ausdruck, entweder auf Fotopapier oder auf Leinentuch, das durch ultradünne LED-Lichter beleuchtet wird, materialisiert seine Kunstwerke. Den Betrachter verführen sie in eine andere Welt – in eine, in die er am liebsten selbst hineinschlüpfen würde.
Die verwendeten Elemente gleichen halluzinatorischen, synthetischen Produkten. Einmal fluid und sich spiegelnd, dann cremig und matt, teils kitschig, und oft mit skurrilen Strukturen versehen. Einerseits sind die Elemente vertraut, andererseits beunruhigen sie. Fantasie, Romantik, utopische Visionen und ökologische Anliegen fliessen gleichermassen ineinander.
«Die wiedergegebenen Elemente reflektieren die Wiederverwendung von Materie und die zyklische Natur von Leben und Tod», hebt Alex McLeod die Message seiner Kunstwerke hervor. Als Allegorien für Leben und Tod die-nen McLeod die untergehenden Schiffe. Die Bäume und Gräser, die laut ihm aus der Vergangenheit wachsen, teils gar aus der Energie von Toten. Und Moleküle, die die Verbindung von uns allen symbolisieren – seit Jahren, seit wir existieren. Kurz: Im Zentrum steht die Materie, die nie stirbt und immer wieder zu etwas Neuem wird.
Diesen totalen Charakter der Wiederverwendung definiert McLeod in der zeitgenös-sischen Gesellschaft und Kunst als eine «ultra-romantische Vision». Die Betrachtung korreliert unweigerlich mit dem Recycling-Gedanken und damit mit Trash. Einzig jedoch im Sinne des Wesens- und Schicksalscharakters.
«Trash ist nur indirekt eine Inspiration für meine Arbeit. Er übt einen Einfluss auf mein Lebensbefinden aus und ist damit ein (unbewusster) Faktor in gewissen Angelegenheiten und Ängsten, die dann wiederum in meinen Bildern erscheinen», erklärt McLeod. Inspi-riert sei er vielmehr von einer Menge von Medien wie Videogames, Kino, exakter Kunst und sogar einem Friedhof nahe seinem Wohnort in Toronto. Nur selten komme es hingegen vor, dass er materielle, gefundene Dinge fotogra-fiere und digital umsetze. Doch warum heisst die Ausstellung eigentlich «Imperial Lands» (zu Deutsch etwa: kaiserliche Ländereien)? «Meine ursprüngliche (formale) Inspiration waren Videogames, die sich um königliche und kaiserliche Ländereien drehten. Insofern fand ich es angepasst, die Ausstellung so zu nennen.»
Trash als Begriff enthält für McLeod eine negative Konnotation, die ein Endresultat impliziert. Es sei etwas Weggeworfenes ohne Zukunft und Wichtigkeit, sagt er. «Das Recyc-ling-Motiv, das in meinen Arbeiten vorkommt, enthält dagegen eine viel optimistischere Perspektive. Ich will auch einen grünen, nachhaltigen Lebensstil ausdrücken.» Als digitale Trash-Kunst will er seine Kunstwerke deshalb nicht verstanden wissen. McLeod: «Zu positiv ist meine Betrachtung möglicher künftiger Existenzen.»
Die Ausstellung «Imperial Lands» von Alex McLeod ist noch bis am 11.3.2010 in Barcelona im «Rojo®artspace» zu sehen. Auf alxclub.com können die bizarren Welten von McLeod angeschaut werden. Rojo ist ein unabhängiges Konsortium, das sich seit 2001 der zeitgenössischen Kunst und deren Promotion widmet.
Foto: zVg.
ensuite, März 2009