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Treten Sie ein! NTSX 1609 09 3

Eine aussergewöhn­liche Ausstel­lung macht in Bern, auf der grossen Schanze gle­ich beim Haupt­bahn­hof, halt: NTSX 1609 09 3. Vom 8. — 13. Sep­tem­ber wer­den da in einem Seefracht­con­tain­er Ste­fanie Mau­ron (Video), Till Hill­brecht (Klang) und Nicole Michel (Bild) ausstellen. Vernissage ist am 8. Sep­tem­ber, 20:00 Uhr. Offen ist’s vom 12:00 — 20:00 Uhr.

Ausschnitt aus dem Projektdossier:

Wer & Was
Was ist Con­tain­er Pro­jek­te ? Hin­ter diesem Label ste­ht Sodi­um – ein Pro­jekt der Hochschule der Kün­ste Bern. Mit einem Con­tain­er stellt das Sodi­um Raum zur Ver­fü­gung, Raum, den es zu bespie­len gilt. Das Gefäss bietet jun­gen Kul­turschaf­fend­en die Möglichkeit ihre Ideen darin und damit zu ver­wirk­lichen. Die näch­ste Aus­gabe der Con­tain­er Pro­jek­te wurde den zwei jun­gen Kun­stschaf­fend­en Ste­fanie Mau­ron, Nicole Michel und dem Klangkün­stler Till Hill­brecht zugeteilt. Die drei Kün­stler übernehmen mit diesem Zuschlag den gesamten Ablauf der Entste­hung ihres Con­tain­ers in die Hand: Aqquirierung finanzieller Mit­tel, Bes­tim­mung und Arrang­ierung des Stan­dortes in der Stadt Bern und die gesamte kün­st­lerische Leitung. Handw­erk und Organ­i­sa­tion geschieht in densel­ben drei Köpfen.

8 x 20 Fuss
Mit Geschicht­en beladen, Net­ze spin­nen, All­t­ag und Unwirk­lichkeit in den Con­tain­er sowohl ein- wie auch aus­bauen, begren­zten Raum aus­loten, indus­tri­al­isierte
und stan­dar­d­isierte Wände ein­brechen: Seefracht-Con­tain­er haben weltweit stan­dar­d­isierte ISO-Nor­men. Sämtliche indus­trielle Fer­ti­gun­gen wer­den so kon­stru­iert, dass der Platz in dem glob­al wichtig­sten Trans­portkä­fig opti­mal genutzt wer­den kann. Die drei Kün­stler kreieren eine bege­hbare Instal­la­tion, die mit diesen Nor­men spielt, sie respek­tiert, aber auch benutzt, um sie in unsin­nige Raum­pla­nun­gen zu kip­pen. Der Con­tain­er wird durch das Zusam­men­führen von unter­schiedlich­sten Fund­ma­te­ri­alien mit Geschicht­en beladen. Im Kern bleibt also der Zweck, das Beladen mit Ware, erhal­ten. Die Anord­nung, das Stapeln fol­gt jedoch nicht dem Kri­teri­um der effizien­testen Raum­nutzung, son­dern kreativ­er kün­st­lerisch­er Raumbe­set­zung.

Fragestel­lung
«Wir sind in der Epoche des Simul­ta­nen, wir sind in der Epoche des Nahen und des Fer­nen, des Nebeneinan­der, des Auseinan­der. Wir sind, glaube ich, in einem Moment, wo sich die Welt weniger als ein gross­es sich durch die Zeit entwick­eltes Leben erfährt, son­dern eher als ein Netz, das seine Punk­te verknüpft und sein Gewirr durchkreuzt.»
Michel Fou­cault

Konzept / 02
Auseinan­der nehmen, zusam­men­tra­gen, nebeneinan­der stellen, wei­t­er­denken, sich erin­nern, ablagern: Die Kün­stler sam­meln und ord­nen Bild­ma­te­r­i­al aus aktuellen Tageszeitun­gen, Mag­a­zi­nen und Wer­be­prospek­ten, Fund­stücke aus dem Abfall, aus Gärten und Haushal­ten. Sie knüpfen das Netz auf und set­zen die Punk­te in
neue Zusam­men­hänge und Ord­nun­gen. Es entste­hen Räume voller eigen­er Geschicht­en durch neue Kon­stel­la­tio­nen, Schich­tun­gen und Sed­i­men­tierung der Infor­ma­tion.
Zusam­men mit der installa­tiv­en Klan­gar­beit löst sich der geschaf­fene innere Raum des Con­tain­ers mal mehr und mal weniger von seinem lokalen Stan­dort. Zum akustis­chen Treiben des Stad­tall­t­ags gesellen sich inter­ak­tiv gener­ierte Samm­lun­gen von Klang­mustern. Sprach­fet­zen, syn­thetis­che Klangfrag­mente, All­t­ags­geräusche: Was gehört zum realen Strassen­klang­bild und was wird abge­spielt? Einge­woben in die Video- und Bil­dar­beit hil­ft die akustis­che Ebene über mehrkanalige Beschal­lung mit, die Besuch­er tief ins Innere des Con­tain­ers und damit weg von der Aussen­welt zu trans­portieren.

Der Con­tain­er soll als ein Ort des lustvollen Aus­pro­bierens, des Träu­mens, des Phan­tasierens, aber auch der Forschung, der Recherche und Fragestel­lung ver­standen wer­den. Der Pas­sant, die Reisende, der Spaziergänger, die Schlen­dernde, die Einkaufende, der von der Arbeit zurück­kehrende, die Betra­ch­terin wird ein­ge­laden den Raum zu beschre­it­en, sich die Zeit zu nehmen, der Über­frach­tung stand zu hal­ten. Sie alle sollen in die Nähe gehen, das Netz absuchen, sich der Details acht­en, um zu ent­deck­en, zu find­en, weit­erzuknüpfen und fab­u­lieren. Unsere tem­poräre Instal­la­tion im Bern­er Stad­traum sehen wir als erfrischende Alter­na­tive im Bern­er Kul­turbe­trieb. Wir wollen den Berner­In­nen mit unserem Pro­jekt junge lokale Kun­st zeigen. Der Con­tain­er ent­pup­pt sich hier­bei als ide­ales Gefäss. Er ermöglicht es, junge Kun­st im öffentlichen Raum direkt zu den Leuten zu brin­gen. Damit trägt er wesentlich dazu bei, gängige Vor­be­halte im Umgang mit zeit­genös­sis­ch­er Kun­st und den dazuge­höri­gen Insti­tu­tio­nen abzubauen und zu über­winden.

Ausstel­lungskonzept
Der Con­tain­er tritt im öffentlichen Raum als bege­hbare Instal­la­tion in Erschei­n­ung. Zwei Türen sind geöffnet, so dass der Besuch im Con­tain­er als Durch­gang ver­standen wer­den kann. Der Pas­sant schre­it­et durch die Instal­la­tion hin­durch und beg­ibt sich so für einen kurzen Moment auf eine Ent­deck­ungsreise fern von der Aussen­welt.

«Ich will das entschei­dende durch den Zufall tre­f­fen»
Jean-Luc Godard

Der Con­tain­er bietet genü­gend Platz und einen geeigneten Raum um das Pro­jekt durchzuführen. Der Con­tain­er wird zum Ort des prozes­sualen Schaf­fens: aus­loten, unter­suchen, aneck­en, forschen, prüfen, abwä­gen, aushorchen. Die endgültige Bild- und Klangfind­ung gedei­ht im Prozess des Arbeit­ens. Der Instal­la­tion­sraum soll wach­sen und wuch­ern bis er seine endgültige und aus­gewählte Ausstel­lungs­form erre­icht. Die Arbeit­en auf Bild- und Klangebene inspiri­eren sich im par­al­le­len Schaf­fen
gegen­seit­ig. Bei­de sind Kon­struk­te, welche densel­ben Raum und dieselbe Zeit beanspruchen. Sie sollen sich allerd­ings nicht konkur­ri­eren oder lediglich nebeneinan­der her­laufen, son­dern zusam­men als einziges Innengewächs existieren.

Stan­dort
Dank der gegebe­nen Mobil­ität des Con­tain­ers haben die Kün­stler die Möglichkeit diesen Raum an einem öffentlichen Platz zu präsen­tieren und so ganz ver­schiedene Men­schen anzus­prechen. Sie wollen tem­porär und präg­nant im öffentlichen Raum Berns agieren. Keine ver­schlossene Tür, kein ver­schlossen­er Platz: Es gibt keine Hür­den und Schwellen zu über­schre­it­en um diesen Raum zu ent­deck­en. Dazu wird nach einem geeigneten Ort für die Real­isierung des Konzeptes (Con­tain­er als bege­hbare Instal­la­tion) gesucht. Da es sich um ein Kun­st­pro­jekt im öffentlichen Raum han­delt, ist es von gross­er Bedeu­tung, dass der Con­tain­er an zen­traler Stelle mit guter Fre­quen­tierung platziert ist. Öffentlichkeit ist da, wo Men­schen sind. Es ist von grundle­gen­der Wichtigkeit, dass die Instal­la­tion das Treiben eines verkehrna­hen Platzes tang­iert. Damit erst entste­ht mit dem Besuch eine Abkapselung von der Aussen­welt, eine Iso­la­tion, die sich auf visueller und akustis­ch­er Ebene ein­stellen soll.

In Frage kom­men: Casino­platz, Bahn­hof­platz, Hirschen­graben und Waisen­haus­platz. Bevorzugt wird wegen den ide­alen Bedin­gun­gen der Casino­platz. Neben den oben genan­nten prag­ma­tis­chen Grün­den, erscheint dieser Platz im Zen­trum aber auch in ander­er Hin­sicht inter­es­sant: Mit dem Trans­port des Con­tain­ers in die Stadt schafft das Kün­stlerkollek­tiv über einen kurzen Zeitraum eine Erweiterung eines alt­bekan­nten Stadt­bildes. Während ein­er lan­gen Arbeit­sphase wird die Instal­la­tion sorgfältig auf den finalen Stand­platz vor­bere­it­et, das Pro­dukt selb­st aber taucht an seinem Stan­dort aus dem Nichts auf und ver­schwindet genau­so wieder. Während der Ausstel­lungszeit jedoch ist die Instal­la­tion ein Platz auf dem Platz, ein Zusatz im Stadt­bild, der in seinem Innern dieses Bild noch weit­er­spin­nt. Der Con­tain­er wird zu einem urba­nen Kon­strukt, dessen kas­te­nar­tige, blech­erne Aussen­wände zum Erleben im Innern ein­laden.