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Umstadtläufer

Von Andy Limach­er — Nr. 51 // Neunte und let­zte Etappe. Es war nicht ein­fach, einen neuen Ter­min für die let­zten vier Kilo­me­ter unser­er Expe­di­tion zu find­en: Vor ein­er Woche hat uns Quin­ten einen Strich durch die Rech­nung gemacht. Angesichts der all­ge­gen­wär­ti­gen Spuren des Sturms – umgeknick­te Bäume und abgeris­sene Äste – sind wir froh, unsere Mis­sion ver­schoben zu haben.

Mit­tler­weile ist es im Könizberg­wald ober­halb des Pflegezen­trums wieder ruhig gewor­den. Kalt ist es allerd­ings immer noch: Die Sonne scheint nur schwach; vere­inzelte Schneeflock­en fall­en auf den zuge­frore­nen Wald­bo­den. Etwas wehmütig sind wir jet­zt schon. Wir haben auf unser­er Stad­tumwan­derung schon viel erlebt, aber auch die let­zte Etappe hält noch ein paar Über­raschun­gen bere­it.

Als erstes sei dies­bezüglich die Ecke Buch­seeweg und Könizbergstrasse erwäh­nt: Von hier aus fällt der Blick im Süden auf Schliern, im Osten schmiegt sich der Spiegel an den Gurten. Beim Höheweg tauchen wir in den Wald ein und fol­gen der klar erkennbaren Aus­sen­gren­ze der Garten­stadt. Für ein let­ztes Mal müssen wir durch das Unter­holz – wir weichen Stech­pal­men und jun­gen Tan­nen aus.

Nach ein paar hun­dert Metern gelan­gen wir zum Wasser­reser­voir der Stadt Bern. Durch den Stachel­draht auf der Ost­seite betra­cht­en wir den Ein­gangs­bere­ich mit sein­er Vor­fahrt, dem Balkon und den Fah­nen­stan­gen – viel zu protzig für einen Zweck­bau, selb­st für die Fün­fziger­jahre, in denen er erstellt wor­den ist. Vielle­icht fahren hier bald Lim­ou­si­nen bei gehissten Flaggen vor, denn der näch­ste Krieg, sagt Raphi, werde ums Wass­er geführt.

Auf unseren Wan­derun­gen haben wir fest­gestellt, dass der Stad­trand von Bern zum grössten Teil aus grün­er Gren­ze beste­ht. Nach der Über­querung der Turnier­strasse tauchen wir in einen der ver­hält­nis­mäs­sig weni­gen Abschnitte ein, in denen sich Stadt und Vorstadt berühren.

Noch wirkt die Umge­bung des ehe­ma­li­gen Hun­zik­er-Are­als kahl und kalt, aber im Früh­ling wird die erst kür­zlich fer­tig gestal­tete Stadt­land­schaft hof­fentlich auf­blühen. Wir fol­gen dem sicht­baren Kor­ri­dor durch die Häuserzeilen; der freigelegte Bach sym­bol­isiert die Gemein­de­gren­ze zwis­chen Bern und Köniz. Auf der linken Seite erheben sich sechs freis­te­hende Gebäude und das über zwei­hun­dert Meter lange Lang­haus der Bern­er Hard­egg. Zusam­men mit den sieben Neubaut­en der Köniz­er Neu­matt auf der recht­en Seite wur­den hier über drei­hun­dert neue Wohnein­heit­en geschaf­fen.

An ein­er Stelle haben die Land­schaft­sar­chitek­ten im Bach eine Insel aus Beton als Verbindung zwis­chen Bern und Köniz errichtet. Man kann sie von bei­den Seit­en über Beton-Zylin­der erre­ichen, so wie man eine Insel in einem Teich über Steine im seicht­en Wass­er betreten würde. Der Bach ist also gle­ichzeit­ig tren­nen­des und verbinden­des Ele­ment des neuen Quartiers.

Die Gebäudezeilen von «stadtgrenze.be» etwas weit­er östlich sind in mediter­ranem gelb und rot gehal­ten und wer­den von einem schmalen Durch­gang getren­nt, der erneut die Stadt­gren­ze markiert. Optisch wird mit­tels ein­er Holzblende im oberen Stock­w­erk hinge­gen die Verbindung zwis­chen den bei­den Gemein­den betont. In den Zwis­chen­räu­men wur­den Spiel­zo­nen für Kinder ein­gerichtet – eine Spiel­strasse im Gren­zge­bi­et. Beim Gren­zweg auf der anderen Seite tre­f­fen wir auf die alte Bausub­stanz des Quartiers – es ist wie das Auf­tauchen aus ein­er anderen Welt.

Wir über­queren die Schwarzen­burgstrasse bei starkem Schneefall und fol­gen schliesslich dem Stein­höl­zli­weg. Jet­zt geht alles sehr schnell: Die let­zten fün­fzig Meter gehen wir rück­wärts, dann ist das Aben­teuer vor­bei. Beim Gren­zstein, wo wir vor neun Monat­en ges­tartet sind, schiesst Raphi zum Abschluss ein paar Fotos.

Wir ziehen uns in meine Woh­nung am Heck­en­weg 31 zurück. Nur 150 Meter von der Stadt­gren­ze ent­fer­nt stossen wir mit einem Bier auf die 54 Kilo­me­ter an, die nun hin­ter uns liegen. Eigentlich kön­nten wir die Sache nun auf sich beruhen lassen, aber irgend­wie wächst zur vorg­erück­ten Stunde die Idee, die Stadt im Herb­st ein zweites Mal zu umwan­dern. Dann aber inner­halb von 24 Stun­den.

Die let­zten Fotos der Expe­di­tion unter:
www.tink.ch/bernaround

Foto: Raphael Hün­er­fauth
ensuite, März 2009

Artikel online veröffentlicht: 6. August 2018