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Umzug, der einzieht

Von Iri­na Mahlstein - Jet­zt wohne ich ja nicht mehr alleine, vor­bei sind die ein­samen Stun­den am Son­ntag­mor­gen. Allerd­ings haben sich auch die vie­len schö­nen, ruhi­gen Schlaf­s­tun­den ver­ab­schiedet. Damit kann ich leben, denk ich. Auf jeden Fall wer­den schöne Erin­nerun­gen geschaf­fen, die ich ganz bes­timmt gerne an meine Enkel weit­ergeben möchte. Denn jet­zt, in diesem Moment, ist es 02.40 Uhr mor­gens, ich sitze inmit­ten mein­er Bergaus­rüs­tung, die bis vor kurzem noch in meinem Bergschrank in meinem drit­ten Zim­mer ver­staut war, neben mir ein Glas Whiskey, die besten Trüf­fel­pra­li­nen, eine Beethoven-Plat­te dreht sich im Plat­ten­spiel­er, und die rote Zora liegt neben mir auf dem Boden und ver­schickt ger­ade ihr drittes von Lügen triefend­es SMS.

Wie es soweit kam? Vor zwei Wochen: Die rote Zora tren­nt sich von ihrem Fre­und und zieht bei mir ein. Gestern, 20.30: Die rote Zora kommt von der Ikea, sucht ihren Geld­beu­tel, hat die Karre auf den Fuss­gänger­streifen gestellt und muss 120 Franken Busse bezahlen. 21.00 Uhr: Die rote Zora bringt das Auto zurück und holt ihr Fahrrad. 23.00 Uhr: Die Zora ist wieder da. Wir kom­men auf die super Idee, dass wir meinen Schrank noch heute aus dem Zim­mer auf den Balkon schaf­fen kön­nten. Ein guter Schrank, mas­siv, schw­er, und scheis­skom­pliziert auseinan­derzunehmen. Also, wir starten einen ersten Ver­such, den Schrank als ganzes Stück durchs Fen­ster auf den Balkon zu hieven. Obwohl, im Nach­hinein betra­chtet, völ­lig verblödete Idee. Die Zora und ich merken es, als der Schrank in unserem Flur liegt und sich nicht mehr bewe­gen lässt. Also doch auseinan­der­schrauben, und dies nachts um 23.45 Uhr.

00.00 Uhr, heute: Wir kriegen die Schubladen nicht raus. Also reis­sen. Wham! Das Kugel­lager rollt quer durch den Flur. Mist. Langsam lässt sich der Schrank zerteilen und in einzel­nen Stück­en auf den Balkon schaf­fen. 00.30 Uhr: Pause. Ein Glas Wass­er. Dann wieder auf den Balkon und ver­suchen, den Schrank wieder zusam­men­zubauen. Zuerst total plan­los. Mal ein biss­chen was anschrauben, dann wieder etwas wegschrauben, da wir irgend­wo ein Zwis­chen­stück vergessen haben. 00.45: Wir sitzen im war­men Wohnz­im­mer und ver­suchen, das Kugel­lager wieder in die Schubladen­schiene zu schieben. Dann wieder raus auf den Balkon. Mist, das ganze Kugel­lager rollt wieder davon. Dies­mal verteilt es sich auf dem Balkon. Um 1.00 Uhr mor­gens ste­ht schliesslich ein hal­ber Schrank draussen auf dem Balkon.

Die rote Zora und ich sitzen im Flur und über­legen uns krampfhaft, wie um alles in der Welt wir am fol­gen­den Tag am Schneeschuh­tag vom Bau teil­nehmen sollen, am Abend in die Ikea brausen, Zeugs ein­laden, wieder nach Hause fahren und weit­er basteln kön­nten. Nö, keine Chance. Der Schneeschuh­tag muss weg. Also muss die rote Zora einen Ner­ven­zusam­men­bruch vortäuschen, ich muss mich um sie küm­mern und das alles mit­ten in der Nacht, damit wir keinen Schlaf kriegen kön­nen und deshalb nicht bei Regen im Schnee herumwatscheln kön­nen.

Wie wir’s geplant haben, so haben wir es auch durchge­führt. Auf­grund von Ner­ven­schwächen der Zora also nicht am Schneeschuh­tag teilgenom­men, dafür aus­geschlafen und in die IKEA gefahren, was an sich eine absolute Tor­tur darstellt. Find ich. Man kauft da ein­fach ein, weil es halt bil­lig ist. Und dann zu Hause ste­ht man vor Unmen­gen von Zeug. Das dann auch irgend­wo hin muss. All der Plun­der, unglaublich. Aber man kauft es halt dann doch. Weil es in der IKEA halt grad so nett auss­chaut. Und dazu noch so schön bil­lig ist.

Ein paar Tage und viele Trep­pen­stufen später sitzen Zora und ich an unserem Esstisch in unserem neu ein­gerichteten Wohnz­im­mer und betra­cht­en stolz unser Zuhause, das wir uns mit Hil­fe von IKEA sehr gemütlich ein­gerichtet haben (es hat sog­ar alles seinen Platz gefun­den). Toll sieht es aus. Zufrieden stossen wir an, auf unsere Woh­nung. Frei nach dem Mot­to: Mit fast dreis­sig Jahren «Back to WG»!

Foto: Bar­bara Ine­ichen
ensuite, Mai 2009

Artikel online veröffentlicht: 18. August 2018