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Ungeschlagen

Von Isabelle Hak­lar — SCB ist noch nicht Meis­ter – zwis­chen­zeitlich vielle­icht nun doch –, YB wird es wohl lei­der auch diese Sai­son nicht, doch ich, ich bin bere­its mehrfache Meis­terin in diesen zwei Diszi­plinen: Meis­terin im Ver­drän­gen sowie Meis­terin des Chaos.

Seit Jahren vertei­di­ge ich diese Titel nun schon, und zwar sehr erfol­gre­ich. Immer wieder werde ich aufs Neue aus­geze­ich­net. Aus­geze­ich­net von ein­er äusserst kri­tis­chen und nicht min­der kom­pe­ten­ten Jury: meinem Fre­un­des- und Fam­i­lienkreis.

Meine Fachjury ver­gle­icht mich mit anderen mir bekan­nten Per­so­n­en, wobei stets ich das Ren­nen mache. Denn bei den Ver­gle­ichen falle ich, im Gegen­satz zu meinen Mit­stre­it­ern, nie unter den Superla­tiv. Die Kro­ne, die ich davon­trage, ist immer das kleine Wörtchen «am».

Sei es, dass bei mir am meis­ten Gläs­er und Tassen gle­ichzeit­ig in Gebrauch sind oder am meis­ten Rech­nun­gen herum­liegen, deren Zahlungs­frist nicht heute oder mor­gen, son­dern in der gängi­gen Zeitrech­nung weit­er zurück­liegt. Und bei mir darf, laut Gremi­um, das bere­its gebün­delte Alt­pa­pi­er am läng­sten in der Küche ver­weilen. Leere Wein- und Pet­flaschen hinge­gen düm­peln schein­bar auch bei mir am läng­sten auf dem Balkon herum. Oder es ist auf meinem Schuh­schränkchen vor der Haustüre, wo sich am meis­ten Schuhe stapeln. Let­zteres, das gebe ich zu, war ein leicht ver­di­en­ter Sieg, denn mein Schuh­schränkchen nenne ich nicht vergebens Schränkchen; es ist 47 Zen­time­ter hoch und 24 Zen­time­ter tief. Also keine nen­nenswerte Ausze­ich­nung. Und wenn man mit drei leeren Wein- und zwei leeren Pet­flaschen auf dem Balkon als Sieger her­vorge­ht, hält sich auch hier mein Stolz etwas in Gren­zen.

Auch wurde ich schon mehrmals ein­er nicht abge­wasch­enen Grat­in­form wegen prämiert. Denn bei mir ste­ht diese, mit Wass­er gefüllt zum Aufwe­ichen der Speis­er­este, am läng­sten im Spül­beck­en. Ah, da fällt mir ein, ich bin es auch, die am läng­sten wartet, ehe sie das wichtige Tele­fonat mit ein­er Behörde in Angriff nimmt. Und nie­mand schiebt übri­gens zu Erledi­gen­des so lange vor sich her wie ich. Ich zögere, so die Juroren, das Han­deln am läng­sten her­aus. Und um mein­er Titel­samm­lung gle­ich noch eine weit­ere Kro­ne hinzuzufü­gen, erledi­ge ich dann, gezwun­gener­massen, innert kürzester Zeit am meis­ten Sachen aufs Mal.
Und in meinem Umfeld bin ich es, die ihren Briefkas­ten am läng­sten nicht leert. Dies mache ich natür­lich nur, damit auch ein­mal jemand anderes die Möglichkeit auf den Titel der «Am-läng­sten-herum­liegen­den-unbezahlten-Rech­nung» hat.

Dann bin auch ich es, die sich schein­bar über die kle­in­sten Dinge am meis­ten und läng­sten aufre­gen kann oder am meis­ten Sachen, egal welch­er Grösse, ver­legt und dann auch am läng­sten und ver­bis­sensten danach sucht – und sie immer an den skur­ril­sten Orten wiederfind­et – wohlbe­merkt. Es sei denn, es han­dle sich um einen Regen­schirm. Denn meine Regen­schirme sind nach dem ersten Gebrauch meis­tens schon nicht mehr in meinem Besitz. Sie zählen – abge­se­hen von Schoko­lade – zu den Din­gen, die ich am wenig­sten lange «Mein» nen­nen kann. Doch wer weiss, vielle­icht trägt ja der Find­er danach am läng­sten Sorge zu meinem aus­ge­set­zten, gepunk­teten «Schärme­spän­der» und kassiert dafür den für mich am unerr­e­ich­barsten Orden.

Foto: zVg.
ensuite, Mai 2010