Von Christoph Hoigné — Wilhelm Busch (1832 – 1908) kennt man als den Schöpfer von Max und Moritz oder der frommen Helene. Der humoristische Zeichner und Dichter gilt als früher Vertreter des Comic. Ein Garderobengespräch mit dem Schauspieler Uwe Schönbeck, der ab Juni wöchentlich die Knopp-Trilogie von Wilhelm Busch verkörpert. Und wie!
Ensuite: Was kann uns die Knopp-Trilogie – eine 140-jährige Gedichtesammlung – heute noch sagen?
Uwe Schönbeck: Sie fragen also nach der Take-home-Message … Vieles in der Knopp-Trilogie, wie überhaupt vieles von Wilhelm Busch, ist erstaunlich aktuell. Busch war ein brillanter Menschenbeobachter. Er hat einen guten Sensor gehabt für Dinge, die nicht der Zeit oder der Mode unterworfen sind. Für ganz grundsätzliche Fallstricke der Menschheit im Umgang miteinander. Seine Geschichten handeln von Eifersucht und Stolz, Dingen, die sich bei uns kaum gewandelt haben. Es ist einfach schön, wenn man hin und wieder den Spiegel vorgehalten bekommt. Und das auf liebevolle, witzige, kluge und komische Art und Weise. Also nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern immer mit einem Schmunzeln. Man merkt, dass Busch sich da selbst nicht ausnimmt. Das allein macht Spass. Was anderes machen ja die heutigen Kabarettisten auch nicht. Sie halten den Spiegel hoch für sich und für andere. Busch beobachtet nicht die ganze Welt, sondern mehr das Individuum.
Worum geht es in der Knopp-Trilogie?
Es ist die Lebensgeschichte von Herrn Knopp. Knopp ist übers Alter hinaus Junggeselle geblieben und fühlt sich bemüssigt, jetzt doch endlich eine Frau zu finden. Es ist zwar alles geregelt – seine Haushälterin Dorothee kümmert sich um alles. Aber, wie es bei Busch so schön heisst, ihm fehlt – Zufriedenheit … Er macht sich also auf und geht von Station zu Station und besucht Freunde und Bekannte von früher, die sich aber sehr seltsam entwickelt haben. So geht er immer ganz schnell und enttäuscht wieder weg. Nach seiner Odyssee landet er wieder zu Hause und sagt sich: Ach was, das Gute liegt so nah! Die Dorothee! Die könnte ich ja auch heiraten. Und das tut er dann auch. Das ist der erste Teil.
Der zweite Teil der Knopp-Trilogie beschreibt erst das grosse Eheglück. Aber wie’s so ist, die Zeit nagt. So stört bald dies und jenes und es kommt zu Alltagszankereien, die man bewältigen muss. Bis Dorothee schwanger wird. Dann ist alles wieder gut. Sie ist die Beste. Damit endet der zweite Teil.
Im dritten Teil kommt Julchen zur Welt. Julchen ist – wie es sich gehört – ein properes Kind, das alles kaputt macht, viel schreit, und keiner weiss warum. Sie entwickelt sich zu einem nicht gerade pflegeleichten Teenager, ist zickig und mühsam. Aber Knopp ist ein typischer Vater. Julchen ist sein Augenstern. Er hasst all ihre jungen Bewerber und versucht sie zu vertreiben. Aber er gibt dann doch nach und Julchen findet einen Liebhaber. Nun, das Ende naht: Knopp ist alt geworden, und die Parzen mit den Warzen schneiden dann den Lebensfaden ab. Knopp stirbt.
Es liegt nahe, dass Sie Knopp spielen. Er sieht Ihnen ja auch ganz schön ähnlich …
… ja, aber das ist Zufall (lacht). Ich habe immer mal wieder Busch-Lesungen gemacht und gespürt, wie sehr die Menschen den mögen. Also dachte ich mir, machst du mal ein Busch-Programm. Was könnte das sein? Max und Moritz? Die fromme Helene oder der Rabe Huckebein? Aber die sind alle schon so populär. Ich wollte, dass die Leute etwas Neues kennen lernen. So bin ich auf den Knopp gekommen. Und ich fand es dann auch ganz witzig, dass der aussieht wie ich. Es macht ja auch Spass, wenn man sich selber ein bisschen auf den Arm nehmen kann.
Was erwartet die Leute, wenn sie zur Knopp-Trilogie in die Cappella kommen?
Wenn ich das wüsste … Frech und lax gesagt, erwartet sie etwas theatral Aufgemotztes. Ich werde rezitieren, spielen, die Bilder des Bilderbuchs ersetzen durch Spielhandlungen, Requisiten und Musik. Es ist also keine Lesung im klassischen Sinne. Ich hoffe, es wird ein blutvolles, saftiges und lebendiges Auseinandersetzen mit dem Text. Man hat was zum Gucken und zum Geniessen, man muss aber auch zuhören. Was bei Busch aber nicht schwierig ist. Der Text spricht einen ja an, man versteht alles ja sofort. Da gibt’s nicht Geheimnisumwittertes.
Was gibt es über Ihren Bühnenpartner, den Musiker Thomas Walter zu sagen?
Wir kennen uns seit fast 20 Jahren, seit ich in Bern bin. Er spielte oft im Orchester, wenn ich als Solist auftrat. Aber zu zweit haben wir noch nie was gemacht. Ich weiss nicht warum, aber ich finde, das Fagott passt so gut zu Wilhelm Busch. Dazu kommt, dass Thomas Walter eine Tochter hat, die Julchen heisst. Wenn das nicht passt! (lacht). Und er ist natürlich ein kluger und flexibler Musiker und Mensch.
Buschs Bücher sind ein frühe Form von Comics. Worin besteht die Schwierigkeit, einen Comic auf die Bühne zu bringen?
Wenn die Bilder nicht mehr da sind, kann es natürlich sein, dass man die Geschichte nicht mehr ganz versteht. Unsere Aufgabe ist es also, einen Ersatz für die Bilder zu finden, so dass die Bilder im Kopf entstehen können.
Was bedeutet Busch für Sie?
Ganz naiv gesagt: grosse Freude, grosser Spass! Es ist immer ein lustvolles Erlebnis, Busch zu lesen. Er macht mir einen Riesenspass. Er kann graue Tage aufhellen.
Gab es schon mal eine Bühnenumsetzung der Knopp-Trilogie?
Ob es Knopp schon mal gab, weiss ich nicht. Aber Busch als abendfüllendes Programm gab es immer wieder, auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen. Als schlichte Lesungen, als Rezitation und so weiter. In der Form wie wir es machen, habe ich noch nichts gesehen oder gehört. Im Internet kann man ja auch ein paar Sachen anschauen. Es ist immer das Suchen nach Formen, nach dem, was einem liegt. Ich bin eher barock. Ich finde es schön, wenn man ein bisschen was zum Gucken hat. Aber keine Angst, wir werden die Bühne nicht vollstellen und es wird nichts neu gestrichen … das Bühnenbild wird eher sparsam sein, aber doch liebevoll.
Sie werden mit Knopp im Juni und Juli und dann im kommenden Winter nochmal eine Staffel Vorstellungen in der Cappella geben. Welche anderen Projekte stehen gerade an?
Ich bin im Mai gerade im Theater an der Effingerstrasse bei «Leonce und Lena» eingesprungen, das dauert den ganzen Mai. Dann kommt schon der Busch, und Ende Juni muss der Herr Winterberg wieder im Naturhistorischen Museum zu seiner Überstunde antreten. Im September spiel ich im Theater an der Effingerstrasse den «Kontrabass», diesen berühmten Monolog von Patrick Süskind. Das hat sich kurzfristig so ergeben und hängt alles mit der Erkrankung eines Kollegen zusammen. Ich spiele im Effinger immer aus Not (lacht)! Anfang Oktober geht es dann in den «Pott» nach Gelsenkirchen für das «Weisse Rössl», das im November Premiere hat. Dann bin ich wieder in der Cappella und dann in Berlin für eine Wiederaufnahme der «Fledermaus» an der Komischen Oper. Dann ist das Jahr voll. Und Urlaub mach’ ich auch noch, wenn wir fertig sind. Den brauch ich dann dringend.
Foto: zVg.
ensuite, Juni/Juli 2011