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Faschismus ante portas

«Von ein­er akuten Bedro­hung der demokratis­chen Repub­lik kann natür­lich keineswegs gesprochen wer­den. Schon weil es der Reak­tion an einem ide­ol­o­gis­chen Unter­bau man­gelt. […] Kam­er­aden! Solange es einen repub­likanis­chen Schutzver­band gibt, und solange ich hier die Ehre habe, Vor­sitzen­der der hiesi­gen Orts­gruppe zu sein, solange kann die Repub­lik ruhig schlafen!»

Verun­möglichter Wider­stand

Es ist exakt dieses Selb­stver­ständ­nis, dass das blosse eigene Vorhan­den­sein und nicht konkretes Han­deln die angestrebten poli­tis­chen und gesellschaftlichen Ziele erre­ichen lässt. Dieses Ver­ständ­nis wird der sich als demokratisch ver­ste­hen­den Öffentlichkeit schliesslich zum Ver­häng­nis wer­den; die völ­lige Unfähigkeit, dem Feind etwas ent­ge­gen­zuset­zen.

1930 in ein­er süd­deutschen Kle­in­stadt. Während die Faschis­ten einen deutschen Tag bege­hen wollen, hat der sozialdemokratis­che «repub­likanis­che Schutzver­band» für den sel­ben Abend im sel­ben Lokal eine «ital­ienis­che Nacht» geplant. Statt sich jedoch mit vere­in­ten Kräften der braunen Bedro­hung ent­ge­gen­zustellen, läh­men sich die Repub­likan­er jedoch nur gegen­seit­ig durch interne Stre­it­ereien und ide­ol­o­gis­che Grabenkämpfe. Die Gruppe ent­larvt sich dabei als gesellschaftlich­er Mikrokos­mos, in welchem das sture Behar­ren auf der Richtigkeit der eige­nen Posi­tion jeglichen Kon­sens verun­möglicht.

Mar­tin, der junge ide­al­is­tis­che Klassenkämpfer plädiert für bewaffneten Wider­stand, doch sein Anliegen ver­hallt unge­hört. Karl, der Musik­er, hält sich als Kün­stler für intellek­tuell über­legen und sorgt inner­halb der Gruppe nur durch seine zahlre­ichen Frauengeschicht­en für Auf­se­hen. Der repub­likanis­che Stad­trat Alfons ent­pup­pt sich als Spiess­er, der in aller Öffentlichkeit seine Frau gän­gelt und blossstellt und durch heim­liche Land­käufe Zweifel an sein­er marx­is­tis­chen Gesin­nung aufkom­men lässt. Die unter sein­er Schirmherrschaft ste­hende ital­ienis­che Nacht verkommt zum seicht­en Unter­hal­tungsabend, in dessen Ver­lauf die Gruppe sich vol­lends verkracht. Die Faschis­ten haben das Lokal der­weil längst umzin­gelt.

Licht und Schat­ten

In seinem 1931 uraufge­führten Volksstück „Ital­ienis­che Nacht“ the­ma­tisierte Ödön von Horváth die poli­tis­chen Ver­hält­nisse der späten Weimar­er Repub­lik. Anknüp­fungspunk­te und Möglichkeit­en, einen kri­tis­chen Bezug zur Gegen­wart herzustellen, böte die Vor­lage jeden­falls zuhauf. Regis­seurin Karo­line Kunz hat darauf allerd­ings verzichtet und insze­niert ihre Ver­sion sehr nahe an der Orig­i­nal­fas­sung. Ob diese Entschei­dung richtig war, ist fraglich, ist die Auf­führung doch vor lan­gat­mi­gen Pas­sagen nicht gefeit. Vielle­icht ist das der Werk­treue oder dem weit­ge­hen­den Verzicht auf grössere inszena­torische Kniffe geschuldet.

Die schaus­pielerischen Leis­tun­gen in diesem Diplom­pro­jekt des Bach­e­lors The­ater, Ver­tiefung Schaus­piel, der Zürcher Hochschule der Kün­ste sind jedoch durchge­hend her­vor­ra­gend. Felix Utting verkör­pert den Stad­trat Alfons Ammets­berg­er mit ein­er nahezu dämonisch wirk­enden Präsenz. Doch auch das Kollek­tiv überzeugt: Die repub­likanis­chen Stre­it­ereien während des Unter­hal­tungsabends wer­den in Form ein­er exzel­lent chore­ografierten Grup­pen­leis­tung als Masken­spiel insze­niert.

Was an diesem Abend auf der Bühne A des The­aters der Kün­ste gezeigt wurde, ver­mochte inhaltlich zwar nicht auf der ganzen Lin­ie überzeu­gen, ein erstk­las­siges Schaus­piel war es jedoch zweifel­los.

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