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Grausam ist der Mensch – kalt ist die Welt

Der Lock­vo­gel ist Hugh Jack­man. Der Hol­ly­wood-Beau ist bekan­nt für seine meist glattge­bügel­ten Main­stream-Filme. Das Ver­sprechen, zuse­hen zu dür­fen, wie er in einem harten Dra­ma seine Schaus­pielkün­ste aus­packt, ist wahrlich eine Ver­lock­ung für Kinogänger. Dazu kommt  Jake Gyl­len­haal, der mit sein­er linkischen Art bere­its so eini­gen Fil­men zu finanziellem und kün­st­lerischen Erfolg ver­holfen hat. Neugierig steckt der Zuschauer also seine Nase in den Film – und prompt wird sie ihm abgeschnit­ten.

Pris­on­ers begin­nt mit einem Thanks­giv­ing-Fest, das zwei Fam­i­lien in nasskalt-ländlichem Kle­in­stad­tam­bi­ente gemein­sam feiern. Als plöt­zlich die zwei kleinen Töchter der Fam­i­lien ver­schwinden ist die Panik gross. Ein Wohn­wa­gen wurde in der Nähe gese­hen und der zu Hil­fe gerufene Polizist (Jake Gyl­len­haal) stellt den Fahrer: einen geistig zurück­ge­bliebe­nen jun­gen Mann, den man aus Man­gel an Beweisen schon bald wieder laufen lassen muss. Ein­er der Fam­i­lien­väter (Hugh Jack­man), definiert sich über die ver­meintliche Fähigkeit, sein Schick­sal jed­er Katas­tro­phe zum Trotz selb­st in die Hand zu nehmen. Er glaubt an die Schuld des Verdächti­gen und ent­führt darum den jun­gen Mann, um durch Folter her­auszufind­en, wo die Mäd­chen steck­en. Der­weil müht sich der Polizist mit ordentlichen Ermit­tlun­gen ab.

Kein Par­don

So weit, so déjà vu. Die schaus­pielerische Leis­tung der Haupt­darsteller ist her­vor­ra­gend, auch wenn sie gele­gentlich die Gren­ze zum over­act­ing über­schre­it­en. Die Insze­nierung von Regis­seur Denis Vil­leneuve ist dicht, stim­mungsvoll und span­nungsre­ich. Doch wirk­lich bril­lieren kann der bish­er unbekan­nte Drehbuch­schreiber Aaron Guzikows­ki: die Welt (sehr reg­ner­isch und knapp über dem Gefrier­punkt), in der seine Fig­uren hof­fen, lei­den und quälen, ken­nt kein Par­don. Immer wieder hört man, wie der verzweifelte Vater Gott verge­blich um Hil­fe und Erbar­men anfle­ht. Auch Medika­mente oder Zwis­chen­men­schlichkeit kön­nen die macht­lose Trauer und Wut der Fam­i­lien nicht lin­dern. Nur die Tat, die proak­tive Grausamkeit, scheint emo­tionale Abhil­fe zu schaf­fen und führt doch nur weit­er ins Verder­ben. Gyl­len­haals Polizist, der auf den bedeu­tungsvollen Namen Detec­tive Loki hört, stürzt sich zwar man­isch auf den Fall, aber auch jed­er sein­er Schritte führt ihn immer tiefer in den Abgrund men­schlich­er Grausamkeit. Immer verzweifel­ter wer­den die Fig­uren – indif­fer­ent und unwirtlich bleibt die Welt, die sie umgibt.

Für den Zuschauer ken­nt Pris­on­ers kaum Par­don. Es ist hart in diese Welt zu blick­en. Während im Kinosaal immer wieder ein gequältes Auf­stöh­nen zu hören ist, sitzt der Kinokon­sument nun in den Resten der eige­nen Neugi­er. Die emo­tionale Wucht des span­nen­den Thrillers ver­schluckt die berühmten Schaus­piel­er eben­so wie die alt­bekan­nte Aus­gangslage. Diese zweiein­halb Stun­den Erbar­mungslosigkeit  wer­den ein empfind­sames Gemüt zer­rüt­ten. Doch für Hart­ge­sot­tene lohnt sich die Rosskur: Wer Ner­ven für heisse Grausamkeit und kalte Härte hat, erfährt beina­he kafkaeske Kathar­sis. Sel­ten ist Hol­ly­wood so rig­oros und unverblümt hoff­nungs­los.

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