Von Lukas Vogelsang – Als wir Ende Juni eine erste Pressemitteilung versendeten, reagierte innerhalb von 5 Minuten eine Depechenagentur aus London und fragte, ob sie die Mitteilung veröffentlichen dürfe. Die Nachricht, dass wir ensuite aus der lokalen Nische zu einem nationalen Magazin weiterentwickeln, schien im Ausland auf Interesse zu stossen. Diese Reaktion war überraschend. Bis jetzt hat sich aber bestätigt, dass wir auf dem richtigen Kurs sind: Es gibt schlicht und einfach kein vergleichbares Magazin in der Schweiz.
Als wir vor rund 12 Jahren mit ensuite starteten, wurden Laptops noch in Rucksäcken getragen. Tablets waren Hirngespinste, und Facebook noch nicht erfunden. In diesen Jahren begann sich die Medienbranche zu bewegen. Gratiszeitungen eroberten das Land und lernten die Verlage das Fürchten. Im Jahr 2003 erschien ensuite zum ersten Mal, und wir machten beim Trend hin zu Gratiszeitungen mit. Doch die fetten Jahre waren da schon vorbei, in Bern kam es kurz darauf zum Zusammenschluss von der Berner Zeitung und dem Bund. Unsere Rechnung hingegen war einfach und ging auf: ensuite gratis aufzulegen war günstiger, als für das Magazin Werbung zu machen. Gleichzeitig hatten wir vor, Kulturinformationen möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen – egal, mit welchem Budget sie unterwegs waren. Mit unserer Lösung gelang beides gut. Doch unsere Leserschaft, die technologischen Entwicklungen und die Medien sind heute zwölf Jahre älter. Unser Zielpublikum aus dem Jahr 2003 wäre heute 47 Jahre alt. Interessieren sich diese Menschen immer noch für die gleichen Dinge? Andererseits haben wir heute LeserInnen, die mit «20 Minuten» gross geworden sind und Medieninhalte grundsätzlich gratis konsumieren. Dass die Verlage hier mitschuldig sind, auch ensuite, sei nicht verhehlt.
Doch «gratis» war gestern. Die Umsätze der Medien bewegen sich seit einigen Jahren in einer Abwärtsspirale – und ich meine damit nicht die unsäglichen Gewinne, welche die Grossverlage in ganz anderen Investitions-Geschäftsbereichen erzielen. In den Printmedien bleiben die Inserate aus, weil es «uncool» ist, per Print zu werben, weil die junge Generation heute nicht mehr weiss, was ein Printmedium bewirken kann und weil es schlicht «anstrengend» ist, ein ordentliches Werbekonzept zu erstellen. Im Internet und online zu werben sei «in», mit neuen Werbeformen (mit welchen genau konnte mir allerdings noch niemand zeigen) solle man experimentieren, Facebook-Freunde sollten Mund-zu-Mund-Propaganda machen … Just aber von den Kultur-VeranstalterInnen vernehmen wir vom Abwärtstrend bei den Besucherzahlen. Ob es wohl einen Zusammenhang zwischen mangelndem Publikum und den fehlenden Programm-Inseraten in Printmedien gibt? Die Kulturredaktionen verschwinden deswegen. Fast in allen Redaktionen wird wegen Werbeertragsausfällen fleissig gespart, die journalistische Arbeit erhält immer weniger Respekt, und es wird nur noch an Profite und Rentabilität gedacht. Den JournalistInnen werden hingegen nur noch mehr Aufgaben und Vorwürfe angehängt, und die Gewerkschaften mümmeln etwas von Gesamtarbeitsverträgen – aber irgendwie bewegt sich niemand mehr auf die LeserInnen zu. Die Konzepte, wie man «Wasser in Wein» verwandeln kann, wollen nicht funktionieren. Es wäre auch zu schön. Als Medienunternehmungen können wir nicht hoffen, sondern müssen über den Tellerrand hinausblicken und unsere Funktion in der Gesellschaft ernst nehmen – als VerlegerInnen.
In diesem Frühling war mir klar, dass ich alles versuchen werde, mit ensuite nicht aufzugeben. Von den Städten, Kantonen und vom BAK konnte ich aber keine Hilfe erwarten, in Gesprächen und auf Anfragen kam nur Ablehnung. Die Kulturförderung unterstützt alles, nur nicht ein Kulturmagazin. Beim Kanton Bern hiess es sogar, dass ein Kulturmagazin keine Kulturvermittlung sei. Stiftungen unterstützen hingegen nur direkt KünstlerInnen, nicht aber jene, welche helfen, dass die KünstlerInnen überhaupt gesehen werden. Und mit den KultursekretärInnen in Bern und Zürich hatte ich es mir verscherzt: Als Kulturjournalist sollte man alles, nur nicht die Kulturabteilungen (zu Recht) kritisieren.
Der Lokaljournalismus, zu dem wir uns als lokales Kulturmagazin zählten, ist zwar beliebt, aber ohne wirtschaftliche Hilfe oder Fördergelder kaum finanzierbar. Wir dachten in der Aufbauphase, dass sich die lokalen Szenen durch ensuite national bekannt machen wollten. Unserem Magazin selber ist das gelungen – wir haben nationale und sogar internationale Bekanntheit erlangt, und nach zwölf Jahren existieren wir länger, als die Amtszeiten der KultursekretärInnen von Bern und Zürich zusammen dauern. Und irgendwann stellte ich mir die Frage, warum sich ensuite durch «provinzielles Denken» verhindern lassen soll. Das heisst jetzt nicht, dass wir die lokalen Geschehnisse generell nicht mehr sehen werden, sondern eigentlich schöner: Wir können aus grösseren Perspektiven das Spotlight auf Entdeckungen richten. Das ist spannender, als wenn wir versuchen eine lokale Identität heraufzubeschwören, die eigentlich niemand will.
Für unsere treuen LeserInnen, KundInnen und PartnerInnen, mit welchen wir seit Jahren hervorragende Beziehungen pflegen, wird jetzt eine spannende Zeit anbrechen. Wir möchten die Zusammenarbeiten in Zukunft verstärken und die positive Kraft daraus weitergeben. Der gesamte Umbau von ensuite ist ein Konzept, welches vor allem in unseren Köpfen stattfindet. Aber genau da beginnt bekanntlich der Aufbruch. Mit dem neuen Magazin haben wir versucht, dies zu manifestieren.
Und das bedeutet ein neues, grosses Stück Freiheit für uns. Natürlich haben wir als nationales Magazin neue Probleme, aber das sind eben neue Herausforderungen. Und so wollen wir ein Zeichen setzen, allem voran: weg vom alternativen Zeitungspapier. Wir möchten den AbonnentInnen und KundInnen haptisch und visuell eine wertvolle Zeitschrift bieten – wir tun dies aus Respekt für uns alle.
Und nach rund zwölf Jahren ist meine Begeisterung für ensuite wieder wie am ersten Tag.